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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder
Autoren: Melanie Lahmer
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»Was hast du über René herausgefunden?«
    »Nichts.« Sie war froh, endlich wieder zur Tagesordnung übergehen zu können. »In unseren Datenbanken gibt es keine ungewöhnlichen Einträge. Das heißt natürlich nicht, dass er ein unschuldiges Bürschchen ist, aber falls er etwas anstellt, dann lässt er sich zumindest nicht erwischen. Auch die gängigen Suchmaschinen im Internet spucken keine Treffer zu seinem Namen aus.« Sie schaute zum Haus der Staudts. Hinter den Fensterscheiben war niemand zu sehen. »Ich finde das schon ein bisschen seltsam. Über fast jeden Menschen lässt sich mit geschickter Suche im Internet etwas herausfinden. Außerdem benutzen die meisten Jugendlichen soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter, und nicht wenige von ihnen gehen sehr nachlässig mit ihren Daten oder denen ihrer Freunde um.«
    Natascha sah, dass Winterberg durch die Windschutzscheibe starrte, als könne er seinen Hals nicht mehr bewegen. Fast schien es, als würde er ihr überhaupt nicht zuhören. Hatte sein Schweigen vielleicht etwas damit zu tun, dass sein ältester Sohn in Renés Alter war? Möglicherweise machte ihm der Fall deswegen mehr als üblich zu schaffen.
    »Eventuell ist er unter einem anderen Namen in Internetforen oder auf anderen, weniger bekannten Plattformen unterwegs«, fuhr Natascha fort. »Allerdings habe ich noch keinen Anhaltspunkt, wie dieser Name lauten könnte.«
    Winterberg zog den Zündschlüssel ab und stieg aus, blieb aber neben dem Wagen stehen. Natascha verließ ebenfalls den Wagen.
    »Lorenz hat mir vor unserer Abfahrt noch eine kurze Zusammenfassung seiner Telefonate gegeben«, sagte Winterberg und sah sie endlich an. »Viel mehr als du hat er auch nicht erfahren. In den Krankenhäusern im Kreisgebiet ist René bisher nicht aufgetaucht. Auch das Jugendamt und der Sozialpsychiatrische Dienst wissen von keinem jungen Mann, auf den Renés Beschreibung passt. Ich weiß noch nicht, ob ich das als gutes Zeichen ansehen soll oder als schlechtes.« Er sah sie über das Autodach hinweg an. »Lass uns erst mal hören, was seine Eltern zu sagen haben.«
    Auf ihr Klingeln hin erschien eine blasse Frau mittleren Alters mit dichtem rotem Lockenhaar an der Tür. Karin Staudt wirkte zerbrechlich und beinahe durchscheinend. Ihr Händedruck war ungewöhnlich schlaff, als sie die Polizisten begrüßte.
    »Kommen Sie doch rein«, sagte sie nach der gegenseitigen Vorstellung. »Wir warten schon auf Sie.«
    Sie ging voran ins Wohnzimmer, das genauso nichtssagend aussah wie die äußere Fassade. Es diente offenbar mehr der Repräsentation und war kein Ort, wo man gemütlich lebte: Alles war ein klein wenig zu perfekt aufgestellt und zu sauber, um sich hier wohlzufühlen. Blautöne dominierten das Zimmer und waren sogar auf Kerzen, Vasen und einer kleinen Decke auf dem Sofatisch zu finden. Einzig das ozeanblaue Kissen wirkte unpassend vor dem Hintergrund des dunkelbraunen Ledersofas, auf dessen Sitzfläche es lag. Es sah aus wie ein Stück arrangierte Unordnung. An einer Wand hingen Ölbilder mit Blumenmotiven.
    In einem der beiden Sessel saß ein Mann, der äußerlich das genaue Gegenteil von Karin Staudt war. Er musste gut einen Meter neunzig groß sein, wie Natascha feststellte, als er sich erhob, und hatte einen weit vorstehenden Bauch. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die beiden sich allzu stürmisch umarmten; wahrscheinlich würde er dann seine Frau erdrücken.
    »Das ist mein Mann. Michael, das sind Frau Krüger und Herr Winterberg – die Kommissare, die nach René suchen.«
    »Gibt es Neuigkeiten von René?«, fragte Staudt, kaum dass sie sich die Hand gegeben hatten. »Aber bitte setzen Sie sich doch zuerst.«
    Er ließ sich wieder in seinen Sessel nieder, beugte sich vor und legte die Ellenbogen auf die Oberschenkel. Dabei wurde das Hemd auf Nabelhöhe weit auseinandergezogen. Noch ein paar ruckartige Bewegungen, und der erste Knopf würde abplatzen, befürchtete Natascha. Sie nahm mit Winterberg auf dem Zweisitzer Platz, sodass sie Renés Eltern gegenübersaßen.
    »Leider haben wir noch keine Neuigkeiten von René«, teilte Winterberg mit.
    Auf diese Äußerung reagierte das Ehepaar mit Schweigen. Karin Staudt schloss die Augen, ihr Mann kratzte sich am Hals.
    »Wir möchten von Ihnen jetzt noch einmal alles genau wissen«, sagte Winterberg. »Wann haben Sie Renés Verschwinden bemerkt? Gab es vorher etwas Auffälliges – irgendetwas, das anders war als sonst? Erzählen Sie uns alles, was
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