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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II
Autoren: Robert Corvus
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lautlos zu Boden fiel. Velon ging langsam rückwärts, bis er wieder neben Bren stand.
    »Dir missfällt, was hier geschieht, General«, stellte ELIEN fest.
    »Ich maße mir nicht an, das Handeln der Schatten zu bewerten«, behauptete Bren.
    »Du bist zu klug, dein Urteil auszusprechen. Das bedeutet nicht, dass du keines hast. Aber deine Beherrschung will ich dir anrechnen, Bren Stonner.«
    Bren hielt dem Blick des SCHATTENKÖNIGS stand.
    »Deine einzige Schwäche, sagte man mir. Frauen. Sie wecken dein Mitleid, nutzen dein weiches Herz aus.«
    Bren runzelte die Stirn.
    »Ich sehe dir an, dass du widersprechen willst. Aber das ist unnötig. Ich habe gesehen, was ich zu sehen wünschte. Jeder Mensch hat Schwächen, die Frage ist nur, ob man sie kennt oder nicht. Deine kenne ich nun, und ich weiß auch, dass sie nicht so weit geht, dass du deswegen etwas Unbedachtes tätest. Dein Verstand ist stark genug, um zu begreifen, dass diese Frau gänzlich unwichtig ist. Unbedeutend, wie jeder Mensch.«
    »Erhabenheit liegt allein in den Schatten«, rezitierte Bren eine Weisheit des Kults.
    »Brav gelernt.« ELIEN lächelte dünn. »Du magst es nicht, wenn sich deine Krieger mit weiblichen Gefangenen vergnügen. Die Befehle, die du nach der Erstürmung von Naiteragegeben hast, sollen manchen Recken betrübt haben, der sich bereits auf frisches Futteral für sein Schwert gefreut hatte. Aber das soll mir gleich sein. Seit Genaria in die Schatten gefallen ist, sind keine Kriege mehr zu schlagen. Keine Front mehr, an der sich Schwertleute verdient machen könnten.«
    Brens Mund wurde trocken. Er war fünfunddreißig Jahre alt. Die wenigen, die die Gnade der dunklen Ewigkeit erfuhren, waren selten älter. Hatte der SCHATTENKÖNIG ihn gerufen, um ihm zu sagen, dass er sterben würde wie jeder andere Mensch? Dass er unwürdig sei? Ein treuer Diener, aber niemand, der die Unsterblichkeit verdiente? Ungeeignet, in die Reihen der Osadroi zu treten? Aber wenn das der Grund des Treffens war, was machte dann Velon hier?
    »Eine andere Heldentat wartet auf euch.« ELIEN betrachtete wieder den Schrein mit dem Katzenwappen, legte die Hände darauf. ER lächelte verträumt. »Holt sie zurück.« ER sah sie an. »Bringt mir Lisanne.«
    Schwindel ergriff Bren. Lisanne! Dieser Name durfte seit Jahrzehnten nicht ausgesprochen werden. Er selbst hatte ihn nur schriftlich gesehen, niemals war er an Brens Ohr gedrungen. Erst vor zwei Monaten hatte man in der Hauptkathedrale des Kults einen Disput ansetzen wollen, um diese Frage – vorsichtig umschrieben, ohne Nennung des Namens – zu diskutieren. Bren hatte das Dutzend Pfähle gesehen, die man vor dem Hauptportal in den Boden gerammt hatte. Darauf steckten die Würdenträger, die auf diese gloriose Idee gekommen waren. Zauber hatten ihnen trotz der tief in den Unterleibgebohrten Spieße die Flucht in den Tod verwehrt, Wachenhatten ihnen zu trinken gegeben und Vögel verscheucht. Der Letzte von ihnen war erst vorgestern gestorben.
    Und jetzt: Lisanne! Als ob es ein Name wie jeder andere gewesen wäre.
    »Ich vermisse sie«, seufzte ELIEN . »Eine ungewohnt weichliche Regung, die mir missfällt. Ein Grund mehr, mich zur Ruhe zu begeben. Es wäre bedauerlich, wenn mich solche Melancholie zu unangemessener Milde verleiten würde. Das könnte zu unüberlegten Kühnheiten im Reich führen.« SEIN Lächeln war pure Ironie.
    »Aber MAJESTÄT , erweist mir die Gnade, zu verstehen!«, bat Velon mit schwankender Stimme. »Warum ruft IHR sie nicht? Durch ihr Herz?«
    ELIENS Lächeln bekam einen traurigen Zug. »Sie lebt, sonst wäre ihr Herz verdorrt. Es schlägt sogar ab und zu, also ist sie wach und fühlt etwas. Deswegen gebietet die Tradition, dass sie beim Thronwechsel zugegen ist.«
    »Selbstverständlich. Niemand würde das infrage stellen.«
    »Natürlich nicht«, sagte ELIEN mit einer Spur Schärfe.
    Velon neigte das Haupt.
    »Aber ich dringe nicht zu ihr vor. In jedem anderen«, mit weiter Geste umfasste er alle Herzen in diesem Raum, »vermag ich das Verlangen nach meiner Gegenwart zu wecken. Und so manches andere. Aber sie ist mir entzogen.«
    »Ist denn das möglich?«, fragte Bren, bevor ihm bewusst wurde, dass seine Worte als Zweifel an den Ausführungen des SCHATTENKÖNIGS hätten gedeutet werden können.
    »Offenbar. Sie war schon immer sehr …«, ER hielt inne, »… begabt. Es mag sein, dass sie einen Zauber gefunden hat. Oder sich hinter einem undurchdringlichen Wall verbirgt.«
    Sofort
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