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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II
Autoren: Robert Corvus
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Stunden überlebt hätte. Dafür hatte auch Bren gesorgt, damals, als er die Rebellion niedergeschlagen und sich das Schwert eines Generals verdient hatte.
    Die Osadroi forderten Hingabe, bei den Sterblichen vor allem in Form von Essenz, Lebenskraft, die sie ihnen abnahmen, manchmal unter Zwang, manchmal im Einklang mit den Wünschen der Opfer. Aber dieser Raum stand für den Gehorsam, den sie von ihresgleichen erwarteten. Wenn ein Schattenherzog einen Menschen in die Ewigkeit der Nacht holte, entnahm er dem neu geschaffenen Osadro das Herz und schickte es nach Orgait. Viel Zeremoniell begleitete einen solchen Transport, manchmal wurden Hofbälle gegeben, um das Eintreffen dieser Zeichen der Treue zu feiern, aber am Ende reduzierte sich alles darauf, dass die Herzen hierhergelangten, in die Kammer der Unterwerfung. Jedes hatte seine eigene Nische, Tausende davon zogen sich in mehreren Reihen an den Wänden entlang. Unmöglich, sie bei diesem Licht zu zählen. Bren konnte noch nicht einmal erkennen, wie groß der Raum war. Nur im vorderen Bereich gab es Licht. Bren hatte das Gefühl, dass es von oben herabsänke, aber da mochte seine Wahrnehmung ihm einen Streich spielen. Er sah keine Decke. Die Helligkeit füllte die Luft bis in drei Schritt Höhe mit einem unregelmäßigen, roten Leuchten und verlor sich dann.
    »Ich bin müde«, sagte ELIEN VITAN .
    Bren ließ sich auf ein Knie nieder, drückte die Fäuste auf den Boden und beugte das Haupt tief. Der Puls hämmerte mit langsamen, aber kräftigen Schlägen in seinem Hals. Der SCHATTENKÖNIG war kein Gott. ER brauchte keine Weihrauchschwaden und keine singenden Prozessionen, um SEINE Größe zu preisen. ER ließ sich auf einem Thron aus Schädeln nieder, wenn es IHM gefiel, aber nicht der Thron betonte den Herrschaftsanspruch dieses Mannes, sondern ELIEN VITANS Präsenz erhob umgekehrt den Thron zu mehr als einer Ansammlung der Überreste erschlagener Feinde. SEINE Stimme hatte es nicht nötig, von Fanfaren begleitet zu werden. Sie wehte durch die Nächte der Jahrzehntausende herüber, die ER durchschritten hatte, erbarmungslos alles unterwerfend, was IHM SEINER Aufmerksamkeit wert erschienen war. Der SCHATTENKÖNIG war kein Gott. ER war der Mörder der Götter.
    Bren brauchte einen Moment, um den Sinn der Worte zu erfassen. ER ist müde.
    Hätte Elien das in der Gesellschaft SEINER Höflinge geäußert, wäre es ein Erdbeben gewesen. Bren wusste, dass der SCHATTENKÖNIG nicht einfach die Erschöpfung meinte, die mit etwas Schlaf zu kurieren war. ER sprach auch nicht davon, ein paar Wochen oder einen Monat ruhen zu wollen. Das war für alte Osadroi nichts Ungewöhnliches, nicht weiter erwähnenswert.
    Wenn der SCHATTENKÖNIG verkündete, ER sei müde, dann konnte das nur bedeuten, dass …
    »Ich sehne mich nach der Burg der Alten«, bestätigte ELIEN Brens Vermutung. »Erhebt euch.«
    Die Burg der Alten war jener mystische Ort im ewigen Eis, wo es niemals Tag wurde und wo die SCHATTENKÖNIGE schliefen. Für Jahrtausende. Nur einer von ihnen wachte, herrschte anstelle der Götter über Ondrien. Dieser Eine war seit einhundertsiebenundneunzig Jahren ELIEN VITAN . ER würde es wieder sein, in Nächten, die so weit entfernt lagen, dass sich das Antlitz der Welt verändert hätte, wenn ER wieder auf dem Thron Platz nähme. Bis dahin würden viele andere die Macht der Schatten bewahren. Wer auf IHN folgte, wusste niemand zu sagen. Wenn diese Neuigkeit erst bekannt würde, bekämen die Archivare keinen Schlaf mehr. Sie würden in alten Folianten die Beschreibungen der anderen MAJESTÄTEN heraussuchen müssen, aus Sternkonstellationen lesen, wer der wahrscheinlichste Nachfolger wäre. Das waren gefährliche Prognosen, denn wenn sie fehlschlugen, kosteten sie das Leben des Propheten. Das Machtgefüge Ondriens würde erbeben, die Verwerfungen waren nicht abzusehen. Wer sich über Jahrzehnte ELIENS Gunst erdient hatte, stünde mit leeren Händen da. Wer bei IHM in Ungnade gefallen war, dürfte hoffen. Und alle Erlasse, Pakte, Verträge, die Ondrien in den letzten zwei Jahrhunderten geschlossen hatte, würden ihre Gültigkeit verlieren. Der neue Herrscher geböte frei von allen Fesseln über die ganze Macht, die in den Schatten lag. Dies alles lag in den wenigen Worten, die ER sprach.
    » IHR wünscht, die Schattenherzöge zu rufen?«, fragte Velon. Seine Stimme war so vorsichtig, dass sie für Brens Ohren kaum zu verstehen war.
    Bren wagte, den Blick zu heben. ELIEN sah
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