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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II
Autoren: Robert Corvus
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Armeen gegeben.«
    »Und Genaria war verglichen damit ein Hofball?«
    »Nein, ich habe noch nie auf einem Schlachtfeld gestanden, auf dem es so brutal zugegangen wäre wie auf einem Tanzboden.«
    Der Osadro grinste. »Du gefällst mir. Erzähle mir von der Erstürmung dieser Stadt.« Er schnippte mit den Fingern. »Wie hieß sie noch gleich?«
    »Ich nehme an, Ihr sprecht von Naitera. Der Perle des Westens.«
    »Ja! Die Perle des Westens … Waren ihre Mauern wirklich weiß wie Elfenbein?«
    »Ich fand sie eher …«
    Der Osadro erhob sich, um den Neuankömmling zu begrüßen. Bren tat es ihm gleich. Alle beugten das Haupt.
    Schattenfürst Velon hatte die Sterblichkeit ungewöhnlich spät abgelegt. Seine körperliche Erscheinung sprach ihm ein halbes Jahrhundert zu. Das graue, ordentlich gestutzte Haar hatte sich seitlich über der Stirn zurückgezogen und rahmte das runde, wenn auch nicht fette Gesicht wie ein Bezug aus Filz ein. Er kleidete sich bevorzugt in bauschige, dunkelrote Gewänder, wie er auch heute eines trug. Die Ärmel waren weit genug, dass man die an der Innenseite angebrachten Goldborten sehen konnte. Eine Attitüde vorgeblich versteckten Wohlstands, die viele seiner Anhänger teilten.
    »Ich wurde gerufen«, stellte er fest.
    »Natürlich, Schattenfürst. Tretet ein. SEINE MAJESTÄT erwartet Euch.« Mit einem schnellen Blick zu Bren fügte er hinzu: »Euch beide.«
    Bren war noch nie in der Kammer der Unterwerfung gewesen. Er sah zur Seite, wartete, was Velon täte.
    Der Schattenfürst machte einen entschlossenen Schritt in den Nebelvorhang, erstarrte dann jedoch unvermittelt. Nur noch sein Rücken und das linke Bein waren zu sehen. Als sei er eine Maus, die auf einer Leimrute klebte und sich nicht mehr bewegen konnte.
    Da die anderen Osadroi nicht reagierten, schien dieser Effekt sie nicht zu überraschen. Bren sah auf die bewegten Schlieren vor sich. Die meisten waren grau wie Granit, aber dunklere bewegten sich schnell wie Wasserschlangen hindurch. Manche waren kohlschwarz.
    Es widerstrebte Bren, sich in eine ebenso wehrlose Position zu begeben wie Velon. Das bin ich doch schon. Wehrlos. Wenn sie es wollten, könnten die Osadroi mich sofort töten. Sie würden einen Rüffel dafür bekommen, aber am Ende bin ich doch nur ein Mensch und sie sind Unsterbliche. Kein Gesetz schützt mich vor ihrem Zorn, allenfalls der Unmut der mächtigeren Schattenherren. Wenn diesen hier der Spaß ein paar Jahre Verbannung aus Orgait wert ist, gibt es nichts, was ich dagegen tun kann.
    Die Erkenntnis, dass er vermutlich bereits tot gewesen wäre, wenn der SCHATTENKÖNIG seine Hinrichtung befohlen hätte, half dabei, seinen Widerwillen zurückzudrängen. Er marschierte in die Nebelwand.
    Die Schwaden waren kälter als gedacht, wie ein Wasserfall nach der Schneeschmelze, nur, dass sie nach oben flogen. Bren gefror. Er fühlte, dass sein Gewicht gehalten wurde. Er konnte nicht mehr atmen, nichts sehen außer von dunklen Blitzen durchzucktes Grau. Arme, Beine, Finger, selbst die Augenlider fixierte der Nebel. So musste sich eine Wespe im Bernstein fühlen. Seine Lungen brannten bereits. Wenn nicht rasch etwas geschähe, würde er ersticken.
    Bren lauschte. Er hörte das Rauschen des Nebels, viel leiser als Wasser, aber wegen der Nähe doch so dominant, dass die Worte, die bei den Wachen gesprochen wurden, zu einem unverständlichen Wispern wurden. Trieben sie ihre Scherze? War vielleicht diese gesamte Einladung ein Spaß, eine Mutprobe? ›Lasst uns General Stonner hier herunterholen und fertigmachen. Damit vergeht die Zeit auf der Wache schneller. Schattenfürst Velon ist mit von der Partie! Oder seid ihr zu feige, um mitzumachen?‹
    Unvermittelt wurde die Nebelwand so durchlässig wie der Dunst, der morgens von den Weiden im Süden aufstieg. Bren fiel auf seinen Fuß und war selbst ein wenig überrascht, wie leicht er Tritt fasste.
    Nach zwei Schritten endete das Hindernis. Bren betrat neben Velon die Kammer der Unterwerfung, wo es mehr Schatten als Licht gab. Die Augen der Osadroi waren schärfer als die der Menschen, und in diesem Raum bestand keine Notwendigkeit, nach Eindringlingen Ausschau zu halten. Sein Zweck kam einer Schatzkammer am nächsten, aber Gold, das in Kerzenschein funkeln mochte, hatte für die Schattenherren wenig Wert. Warum hätten sie es horten sollen? In ganz Ondrien gab es niemanden, der ihnen verwehrt hätte, wonach sie verlangten. Keinen jedenfalls, der seinen Trotz länger als ein paar
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