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Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Titel: Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)
Autoren: Sendhil Mullainathan
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Normalzustand, in dem alles gut ist. Aber die Selbstanalyse zeigt uns, dass es Perioden gegeben hat, in denen wir Überfluss massiv spürten und dass sich diese Perioden nicht nur von Zeiten der Knappheit unterschieden, sondern auch von anderen, weniger deutlich herausgehobenen Zeiten. Es gab für uns Zeiten, in denen eine Psychologie des Überflusses anfing zu wirken − eine Psychologie, die so verblüffend ist, weil im Überfluss schon der Keim späterer Knappheit steckt.
    Viele von uns landen vor einer Deadline mit knapper Zeit, weil wir die vorangegangene Zeit des Überflusses nicht genutzt haben. Unsere Studenten schreiben unvermeidlich ihre Texte in den zwei Tagen (oder manchmal in der einen Nacht) vor dem Abgabetermin −dabei gehen ein paar Wochen mit einer Überfülle an Zeit voraus. Das war nicht ihre Absicht, als das Semester anfing. Das Herumwürgen in den letzten Minuten stellt im Kleinen das Zeitmanagement-Problem dar, das auch Manager haben, die es sich gut gehen lassen, um dann brandeilig arbeiten zu müssen. Auch Urlauber wissen nicht, wohin die Zeit verronnen ist.
    Die Ursache der Knappheit in der Nähe einer Deadline liegt also in unserem Zeitmanagement während der Perioden des Überflusses. Diese enge Verknüpfung von Überfluss und Knappheit wiederholt sich an vielen Stellen. Dem Bauern fehlt es vor der Ernte an Geld wegen seines Umgangs mit dem Geld von der letzten Ernte. Sein Verhalten in Zeiten des Überflusses trägt zur späteren Knappheit bei. Wir vergessen zu sparen, wenn genügend Geld da ist. Wir trödeln herum, wenn die Deadline weit entfernt ist. 4
    Denken wir noch einmal an die Finanzkrise von 2008. Viele haben spekuliert, dass einer der Gründe für die Krise ein kognitiver blinder Fleck war. Die amerikanischen Immobilienpreise schossen in den späten 1990ern und frühen 2000ern in die Höhe. In diesen Boomzeiten schien ein plötzlicher Absturz der Immobilienpreise eine weit entfernte Möglichkeit, die man sich nur schwer vorstellen konnte und die kaum einen Gedanken wert war. Dieser Glaube beeinflusste zahlreiche Entscheidungen. Waren die Immobilienpreise dazu bestimmt, immer weiter zu steigen (oder zumindest nicht abzustürzen), erschienen Transaktionen auf Kreditbasis vernünftig und Hypotheken mit einem großen Verhältnis von Kreditbetrag und Beleihungswert sicher. Natürlich fielen die Preise dann doch − und in einigen Fällen dramatisch. Und all die Investitionen, die auf der Annahme basierten, sie würden nicht fallen, führten zu einem finanziellen Strudel, der beinahe das globale Finanzsystem verschluckt hätte. Auch in diesem Fall hatte die aktuelle Knappheit in der Finanzkrise ihre Wurzeln in dem nachlässigen Verhalten, das die vorangegangenen Jahre des Überflusses kennzeichnete.
    Natürlich könnten wir das alles als das normale Verhalten abtun. Menschen vergeuden Zeit. Sie sind allzu vertrauensselig. Aber die guten Zeiten und der Überfluss vor der Finanzkrise verstärktendiese Tendenzen und führten zu einer übergroßen Blauäugigkeit und zu verstärkter Selbstzufriedenheit.
    Verfolgt man die Geschichte der Knappheit weit genug zurück, landet man beim Überfluss: Die Rezession ist schon in unserem Verhalten während des Booms angelegt. Das eilige Basteln in letzter Minute ist die Folge unserer Untätigkeit in den Wochen zuvor. Während die Knappheit die Hauptrolle bei vielen wichtigen Problemen spielt, bereitet der Überfluss ihre Bühne vor.
    Könnte es wie bei der Knappheit auch eine allgemeine Logik des Überflusses geben, die quer über alle Problemfelder gilt?
    Wir sollten eine Antwort auf diese Frage finden. Jetzt, nachdem das Buch geschrieben ist, haben wir viel, viel Zeit, um sie nicht zu finden.

danksagung
    Dieses Buch litt nicht unter einer Knappheit an Hilfe und gutem Rat. Wunderbare Mitarbeiter haben dazu beigetragen, die Ideen herauszuarbeiten, und entscheidende Untersuchungen beigetragen: Chris Bryan, Lisa Gennetian, Anandi Mani und Jiaying Zhao. Anuj Shah hat das Projekt mit ganz besonderem Einsatz, durchweg großer Einsicht und stets hilfreich vorangetrieben. Wir hatten auch großartige Forschungsassistenten: Annie Liang und Shannon White, die unermüdlich und voller Kreativität die relevanten Untersuchungen und Illustrationen fanden. Jessica Gross entdeckte einiges an frühem Material, und Lily Jampol und Ani Momjian halfen uns, einige Studien durchzuführen. Sie stellten anregende und begeisternde Fragen, wie auch Izzy Gainsburg und David
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