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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger
Autoren: Jane Austen
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Trost.
    Als der Tanz zu Ende war, begann sich die Gesellschaft zu zerstreuen, was den Zurückbleibenden genügend Platz ließ, um in einiger Bequemlichkeit umherzuwandern, und jetzt war der Augenblick gekommen, wo es sich für jede Romanheldin gehört, die im Laufe des Abends noch keine hervorragende Rolle gespielt hat, bemerkt und bewundert zu werden. Alle fünf Minuten verringerte sich die Menge und gab Catherine mehr Spielraum, ihren Charme zu entfalten. Das Auge vieler junger Männer fiel nun auf sie, die vorher nicht in ihre Nähe gekommen waren. Nicht einer allerdings blieb, von sprachlosem Entzücken hingerissen, bei ihrem Anblick stehen, kein neugieriges, fragendes Flüstern machte die Runde im Saale, auch wurde sie kein einziges Mal eine göttliche Schönheit genannt. Und doch sah Catherine sehr gut aus, und hätte die Gesellschaft sie drei Jahre früher gesehen, dann hätte man sie jetzt für ungewöhnlich hübsch gehalten.
    Sie wurde allerdings betrachtet, und zwar mit einiger Bewunderung, denn wie sie selbst mit anhörte, erklärten zwei Herren sie für ein hübsches Mädchen. Solche Worte verfehlten ihre Wirkung nicht; der Abend erschien ihr auf der Stelle erfreulicher als vorher, ihre anspruchslose Eitelkeit war befriedigt. Sie war den beiden jungen Männern dankbarer für dieses bescheidene Kompliment als eine wahre Heldin für fünfzehn Sonette zur Feier ihrer Reize und ging versöhnt mit aller Welt und vollkommen zufrieden mit ihrem Anteil an allgemeiner Aufmerksamkeit zu ihrer Sänfte.

Kapitel 3
    Nun brachte jeder Vormittag seine regelmäßigen Pflichten: Einkäufe mussten gemacht, Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt und die Brunnenhalle besucht werden, wo sie eine Stunde auf und ab spazierten, alle beobachteten und mit keinem sprachen. Einen großen Bekanntenkreis in Bath zu haben, war noch immer Mrs. Allens sehnlichster Wunsch, und sie wiederholte ihn, nachdem jeder neue Vormittag den erneuten Beweis gebracht hatte, dass sie keine Menschenseele kannte.
    Dann statteten sie den Unteren Gesellschaftsräumen den ersten Besuch ab, und hier war das Schicksal unserer Heldin gnädiger. Der Zeremonienmeister stellte ihr als Tanzpartner einen jungen Mann vor, der ihr ganz wie ein Gentleman erschien; sein Name war Tilney. Er mochte ungefähr vierundzwanzig oder fünfundzwanzig sein, war ziemlich groß, hatte angenehme Züge, einen intelligenten, lebhaften Augenausdruck und war, wenn auch nicht ausgesprochen hübsch, so doch ziemlich gut aussehend. Sein Benehmen verriet gesellschaftliches Geschick, und Catherine fand, sie habe großes Glück gehabt. Während sie tanzten, war zu einer Unterhaltung nicht viel Gelegenheit, aber als sie sich zum Tee niedersetzten, bestätigte er die angenehmen Erwartungen, die er bereits geweckt hatte. Er drückte sich gewandt und lebhaft aus und hatte etwas Spöttisches und Witziges, das sie interessant fand, ohne recht klug daraus zu werden. Als sie sich eine Zeitlang über ihre unmittelbare Umgebung unterhalten hatten, sagte er unvermittelt zu ihr: »Ich habe es als Ihr Partner bisher an der angemessenen Aufmerksamkeit fehlen lassen, Madam, ich habe Sie noch gar nicht gefragt, wie lange Sie schon in Bath sind, ob Sie früher schon einmal hier waren, ob Sie schon in den Oberen Gesellschaftsräumen, im Theater und im Konzert waren und wie Ihnen Bath alles in allem gefällt. Ich bin sehr nachlässig gewesen; würden Sie jetzt die Güte haben, mir über alle diese Einzelheiten Auskunft zu geben? Wenn ja, werde ich unverzüglich mit den Fragen beginnen.«
    »Sie brauchen sich deswegen nicht zu bemühen, Sir.«
    »Gar keine Mühe, glauben Sie mir, Madam.« Dann setzte er ein geziertes Lächeln auf, senkte seine Stimme zu einem affektierten Hauchen und fügte gespreizt hinzu: »Sind Sie schon lange in Bath, Madam?«
    »Ungefähr eine Woche, Sir«, antwortete Catherine und bemühte sich, ein Lachen zu verkneifen.
    »Tatsächlich!«, sagte er mit gespieltem Erstaunen.
    »Warum überrascht Sie das, Sir?«
    »Ja, warum eigentlich?«, sagte er mit natürlicher Stimme. »Aber irgendeine Empfindung muss ich doch bei Ihrer Antwort zeigen, und Überraschung lässt sich leichter spielen als andere Gefühle und ist auch nicht unsinniger. Jetzt müssen wir weitermachen. Sind Sie zum erstenmal hier, Madam?«
    »Ja, Sir.«
    »Wirklich? Haben Sie schon die Oberen Gesellschaftsräume mit Ihrer Anwesenheit beehrt?«
    »Ja, Sir, ich war am letzten Montag dort.«
    »Waren Sie schon im
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