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Klick mich: Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin (German Edition)

Klick mich: Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin (German Edition)

Titel: Klick mich: Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin (German Edition)
Autoren: Julia Schramm
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ich einschlafe.
    Der Jugendschützer ist ein rüstiger Herr mit grauem Haar und fester Stimme. Jugendschutz ist meist das Codewort dafür, dass jemand die Freiheit auf den Datenautobahnen einschränken will. Er scheint ein Vertreter der KJM zu sein. Oder so. Ich höre nicht richtig zu. Diese Diskutanten sind in meinem Kopf alle Mitglieder der CDU / CSU .
    Neben ihm sitzt Mortensen, er will uns vor den Ju gendschützern schützen, was er mit der passenden T-Shirt-Aufschrift deutlich macht. (Keine Macht den Jugendschützern!) Es moderiert die einzige Frau auf dem Podium, Journalistin bei einem Technikmagazin oder Spiegel Online . Neben Frau Journalistin sitzen ein Medienpädagoge und ein Vertreter der Sozialdemokraten, die immer für Verständnis bei der radikalen Netzgemeinde werben – Politik sei nun mal komplizierter, als einfach Nein zu sagen. Das Publikum, mit mir als präventiv gelangweiltem Teilnehmer, wartet gebannt, ob sich im Austausch der Argumente neue Erkenntnisse zutage fördern lassen.
    ( Spoiler : Am Ende wollen alle Medienkompetenz.)
    »Es ist kaum möglich, anders als im Supermarkt oder der Videothek, eine solide Altersverifikation im Internet durchzusetzen. So ist es bereits Kleinkindern möglich, Pornographie und politische Ausreißerpositionen kennenzulernen, in einem Alter, in dem dies ausschließlich schädlich ist. Jugendliche haben ein verfassungsrechtliches Recht auf ungestörte Persönlichkeitsentwicklung!« Der Jugendschützer legt gut los.
    Ich verdrehe die Augen und tippe in mein mobiles Endgerät an meine Follower : Jugendschützer will Jugendliche vor Kapitalismuskritik im Internet schützen. Oder so. # kjm #dialog
    Wieder werden Filterprogramme und Netzsperren gefordert.
    Mortensen antwortet: »Um Sperrungen effektiv hand haben zu können, müsste das Internet ganzheitlich umstrukturiert werden und insbesondere seine grundsätzliche Struktur, nämlich die dezentrale Vernetzung von Computern, aufgegeben werden. Vielleicht begreifen Sie es ja jetzt endlich, nach all diesen Diskussionen: Die dezentrale Struktur verhindert Ihre Vorstellungen von Jugendschutz. Entweder Sie machen es wie in China, wo Zehntausende das Netz durchforsten und Klick, Klick, Klick unliebsame Inhalte beseitigen, oder wir überlegen uns was anderes.«
    Der Jugendschützer antwortet trocken, dass ihm eine restriktive Handhabung lieber sei als gar keine.
    Da sich die Debatte auf diesem Niveau bewegt, schicke ich ein paar Minuten später in das Weltnetz: Jugendschützer hält Diktatur für weniger schädlich als Pornographie. #kjm
    Die Moderatorin leitet jetzt den zweiten Teil ein:
    – … es soll jetzt darum gehen, was für Jugendliche letztlich gefährdende Inhalte sind. Was genau beeinträchtigt ihre Entwicklung?
    – Mortensen: Die Logik ist klar. Menschen, die nicht wählen dürfen, sollen auch keine Pornos gucken!
    Lautes Lachen im Saal.
    – Der Medienpädagoge: Gefährdende Inhalte – das ist eine falsche Wendung. Es geht darum, dass alle Elemente unserer Gesellschaft im Netz leichter zugänglich sind. Das gilt auch für die problematischen: Gewalt und deren Verherrlichung, exzessive Sexualität, menschenverachtende Äußerungen. Allerdings ver schwinden diese Inhalte ja nicht dadurch, dass wir eine Sperre einbauen beziehungsweise den Zugang erschweren. Besonders nicht außerhalb des Netzes. Ich sprach ja bereits von blindem Aktionismus. Der Kernpunkt ist, dass wir Kinder beim Erkunden des Netzes begleiten müssen. Statt eines staatlichen Filterzwangs und vermeintlicher Selbstkontrolle brauchen wir eine umfassende Betreu ung der Kinder und die Möglichkeit, dass sie even tuell traumatisierende Konfrontationen aufarbeiten kön nen. Wenn sie Fragen haben oder sich austauschen wollen, müssen wir ihnen die Möglichkeit geben, dies vertrauensvoll zu tun. Wir müssen ihnen Impulse von außen gestatten. Unsere Aufgabe ist es dann, sie aufzufangen und das Erlebte mit ihnen zu verarbeiten. Die veränderten Bedingungen für Jugendmedienschutz müssen gesellschaftlich analysiert werden. Gleichzeitig müssen tragfähige Alternativen entwickelt werden.
    – Der Jugendschützer: Medienpädagogik ist kein Jugendschutz! Jugendschutz bedeutet …
    – Mortensen: … dass alte Männer darüber entschei den, was Jugendlichen schaden könnte. Jugendliche können mit 16 in den Knast wandern, aber sind zu doof, um Nazis zu erkennen? Sollen wir unseren Kindern und Jugendlichen vorschreiben, was sie lesen und hören sollen? Am
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