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Kleiner Werwolf - Funke, C: Kleiner Werwolf

Kleiner Werwolf - Funke, C: Kleiner Werwolf

Titel: Kleiner Werwolf - Funke, C: Kleiner Werwolf
Autoren: Cornelia Funke
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einschließen, dass es ihm nicht möglich ist, ins Freie zu gelangen. Denn erst dort nimmt der Geist des Wolfes vollends Besitz von ihm. Kaum etwas löst beim Menschen so viel Angst aus wie der Wolf, obwohl er ein sehr scheues, soziales und keinesfalls bösartiges Tier ist. Und zu allen Zeiten hat der Mensch auf Wolfsmenschen nur mit Hass und Furcht reagiert und sie als Monster erbittert gejagt und zur Strecke gebracht.
«
    »Zur Strecke gebracht«, murmelte Motte. »Pfui Teufel. Sonst noch was?«
    Lina schüttelte den Kopf und griff nach dem dritten Buch.
    »Da!«, sagte sie plötzlich aufgeregt. »Das könnte was sein. Hier steht was von Amuletten, die den Wolf vertreiben. Warte mal. Hier steht, dass solche Amulette früher sogar mit ins Grab genommen wurden.« Lina rieb sich ihr Ohrläppchen. »Dann müsste es doch solche Dinge im Museum geben, oder?«
    Motte zuckte die Achseln. »In was für ’nem Museum denn?«, fragte er.
    »Na, im Völkerkundemuseum«, sagte Lina. »Ich …«
    »Nun sieh mal einer an!«, sagte eine Stimme hinter ihnen. »Wen haben wir denn da?«
    Lina und Motte mussten sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer hinter ihnen stand.
    »Morgen, Herr Faulwetter.« Lina legte die Hand über das, was sie eben gelesen hatte. »Was machen Sie denn hier?«
    »Die Frage sollte wohl besser lauten: Was macht ihr beiden hier?«, antwortete Herr Faulwetter und rückte mit genüsslichem Lächeln seine Brille zurecht.
    Herr Faulwetter, ihr Biologielehrer. Schlimmer als Wölfe, Hunde, Ärzte und andere Angst einflößende Erscheinungen. Viel schlimmer. Spezialist im Vernichten von Schülerseelen. Kinderquäler aus Leidenschaft, größenwahnsinnig wie Nero. »Interessant«, sagte er und griff mit langen Fingern nach dem Buch, das Lina vor sich hatte. »›Rätselhafte Gestalten – Vampire, Geister und Werwölfe.‹ Soso! Ein interessantes Thema. Aber –«,er sah auf seine Uhr, »solltet ihr euch nicht in diesem Moment mit deutscher Grammatik befassen?«

    »Äh, wir – wir haben freibekommen«, schwindelte Motte, »für ein Referat.«
    »Ach ja? Und in welchem Fach, wenn ich fragen darf? Dieses Thema fällt doch wohl in meinen Wissensbereich.« Er musterte Motte ausführlich. »Aber ich habe euch nicht freigegeben.«
    Motte merkte, wie seine Oberlippe zu beben begann. Ein Knurren stieg in seiner Brust auf. Schnell presste er sich die Hand vor den Mund. Leider die verletzte.
    »Nanu, hat dich etwas gebissen?«, fragte Herr Faulwetter. »Hochinteressant.« Er legte Motte die Hand unters Kinn und sah ihm in die Augen.
    Fast hätte Motte nach der Hand geschnappt. Aber Lina stieß ihn noch gerade rechtzeitig mit dem Knie an.
    »Deine Augen haben eine eigentümliche Farbe«, stellte Herr Faulwetter fest. Er fuhr Motte mit einem seiner langen, dünnen Finger über die Backe. »Und dein Bartwuchs ist ungewöhnlich für dein Alter.«
    »Er hat Haarwuchsmittel getrunken«, sagte Lina schnell. »Von seinem Vater. Davon hat er auch so gelbe Augen gekriegt.«
    »Ach ja?« Herr Faulwetter lächelte. »Nun, wir sehen uns ja heute noch. Vierte Stunde, richtig?«
    Die zwei nickten.
    »Viel Glück bei eurem Referat«, verabschiedete sich der Lehrer. »Und, übrigens, wusstet ihr, dass in zwei Nächten Vollmond ist? Bis nachher.«
    Dann war er zwischen den Regalen verschwunden.
    »In zwei Nächten«, flüsterte Lina.
    »Wieso sagt er das?«, murmelte Motte. Er spitzte die Ohren und legte den Finger auf die Lippen. »Der Kerl ist noch da«, flüsterte er. »Ich hör ihn atmen. Lass uns über irgendwas anderes reden, nur nicht über Wölfe.«
    Lina nickte. »So, jetzt brauchen wir noch was über Vampire«, sagte sie laut. »Aber das können wir ja auch zu Hause machen. Okay?«
    Motte nickte. Deutlich hörte er, wie Herr Faulwetter auf leisen Sohlen davonschlich. Nicht leise genug für Wolfsohren, dachte Motte. Als sie zum Tisch der Bibliothekarin kamen, war Faulwetter nirgends zu sehen. Aber Motte konnte hören, wie sich jemand in der Bastelbuchabteilung kratzte. Was hatte der Kerl bloß vor?
    »Wir möchten dieses Buch ausleihen«, sagte Lina.
    »Das ist aber ein Erwachsenenbuch«, antwortete die Bibliothekarin schnippisch. Sie roch nach Lavendelseife, Füllertinte und Mundwasser.
    Motte guckte sie starr mit seinen gelben Augen an.
    Nervös zupfte sie an ihrer Rüschenbluse. »Nun gut, wenn es euch interessiert«, sagte sie dann. »Bitte den Leserausweis.«
    Vielleicht sollte ich mir doch keine Sonnenbrille kaufen, dachte
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