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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition)
Autoren: T. A. Wegberg
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ein. Ich kann nichts über mich erzählen.

    A n einem Abend kam Dominik mit massenhaft Plastiktüten nach Hause und schüttelte den Inhalt auf sein Bett: Turnschuhe, T-Shirts, Laufhose und ein Hantelset mit verschiedenen aufschraubbaren Gewichten. Ich kriegte große Augen. «Boar, zeig mal!» Ich hielt eins der Shirts hoch. «Cool! Leihst du mir das mal?»
    Nick riss es mir aus den Händen. «Finger weg!»
    «Hey, find ich super, dass du Sport machen willst», beteuerte ich. «Tolle Idee, wirst du schon sehen! Du kriegst bestimmt die Mördermuskeln, Alter!»
    Nick schnitt wortlos die Preisschilder von seinen neuen Klamotten, ehe er sie in den Kleiderschrank legte. Mir kam der Gedanke, dass es besser sein könnte, mich ein bisschen zurückzuhalten. Vielleicht überlegte er es sich wieder anders, wenn ich zu viel Begeisterung zeigte. Mit einem letzten neidischen Blick auf das geile Adidas-Shirt machte ich mich vom Acker.
    Als am nächsten Morgen der Radiowecker ansprang, war Nicks Bett leer. Er kam erst so gegen zwanzig nach sieben nach Hause zurück, als ich schon beim Frühstück saß, und zwar in seinen neuen Sportklamotten. Mit total verschwitzten Haaren, knallrotem Gesicht und keuchend wie ein alter Mann. Aber irgendwie befriedigt.
    Nachmittags trainierte Dominik in unserem Zimmer mit den neuen Hanteln. Er legte sich mit ausgebreiteten Armen auf den Rücken wie ein gekreuzigter Jesus, führte die Hände mit den Gewichten langsam nach oben, bis sie sich über seiner Brust trafen, und dann ließ er sie genauso langsam wieder zurückwandern. Ich guckte beeindruckt zu, während er sich ausschließlich auf sein Training konzentrierte. «Darf ich nachher auch mal?»
    «Nein», ächzte er.
    Es war ja schon überraschend genug, dass Dominik sich so plötzlich entschied, Sport zu treiben – aber noch überraschender fand ich sein Durchhaltevermögen. Er ging ohne Ausnahme jeden Morgen laufen, und nach ein paar Wochen stand er sogar noch zehn Minuten früher auf, weil er die Strecke verlängern wollte. Auch die Hantelübungen ließ er nie ausfallen. Manchmal trainierte er sogar zweimal am Tag.
    Ich hätte es trotzdem besser gefunden, wenn er irgendeinen Mannschaftssport gemacht hätte. Es war ja toll, dass er fit werden wollte, aber er hatte so was Verbissenes dabei. Außerdem wünschte ich mir immer noch, dass er mehr mit anderen gemeinsam machen würde. Mit diesem Ehrgeiz hätte er im Volleyballteam richtig Punkte machen können. Irgendwann sagte ich ihm das mal. Er tippte sich an die Stirn. «Ich schwitz doch nicht für andere.»

[zur Inhaltsübersicht]
    9
    I ch stehe also da vorne neben dem Lehrerpult und gucke in dreißig wildfremde Gesichter. Dreißig neue Namen. Dreißig unterschiedliche Biographien. Die muss ich jetzt alle kennenlernen. Ich muss rauskriegen, wie sie ticken, ob sie freundlich sind oder hinterhältig oder dumm oder aggressiv. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich das nicht als Chance, sondern als Belastung, denn ich hab keine Ahnung, wie ich an diese Leute rankommen soll, ohne meine Deckung zu verlassen.

    B ei meinem Wechsel zum Gymnasium hatte ich auch eine Menge neue Leute kennenlernen müssen. Von meinen Grundschulfreunden war nur noch einer in meiner neuen Klasse. Aber ich war einfach bloß neugierig auf die anderen und hatte auch kein Problem damit, sie anzuquatschen, wenn sie mir irgendwie interessant vorkamen.
    Anfang des achten Schuljahrs kriegte ich mit, dass Till und Ramon zusammen Musik machten, der eine am Schlagzeug, der andere am Bass. Tills Eltern hatten einen Partykeller, in dem sie spielen konnten. «Ihr braucht einen Sänger und Gitarristen», erklärte ich den beiden. «Und das bin ich.»
    Sie wechselten einen skeptischen Blick. «Ja, klar», entgegnete Ramon unsicher.
    «Echt! Ich spiel schon seit fünf Jahren Gitarre. E-Gitarre», fügte ich hinzu, damit sie nicht auf die Idee kamen, ich wäre so ein Klassik- oder Country-Heini. «Ich bin schon ziemlich oft aufgetreten.»
    Genau genommen hatte ich einmal auf einer Schulfeier gespielt und einmal im Sonntagsgottesdienst unserer Kirche. Oh, und dann noch beinahe auf der Weihnachtsparty des Fußballclubs, aber da hatte mein Verstärker einen Kurzschluss verursacht und im ganzen Vereinsheim die Sicherungen rausgehauen. Trotzdem tat ich so, als hätte ich zu Hause ein paar Platinschallplatten an der Wand hängen.
    «Meine Band hat sich vor kurzem aufgelöst», erklärte ich – womit ich meinte, dass Chris und Patrick seit drei
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