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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen
Autoren: S Vlugt
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gutes Personal zu finden«, sagte sie kopfschüttelnd, wenn sie aus dem Besprechungsraum kam. »Ehe man sich’s versieht, hat man Mädchen am Hals, die glauben, die Arbeit einer Sekretärin bestehe nur aus Briefetippen und Faxeverschicken. Und mit solchen Leuten soll man dann ein gut funktionierendes Team bilden!«
    Also ackerten wir weiter, denn der Trustfonds wuchs, und die Arbeit stapelte sich.
    Wir machten jeden Tag Überstunden und arbeiteten oft die Mittagspause durch. Ich war fix und fertig und bekam Schlafstörungen. Ich fühlte mich gehetzt, lag mit Herzklopfen im Bett und starrte an die Decke. Sobald ich die Augen zumachte, erfasste mich ein Schwindel, der mich in einen sich immer schneller drehenden Strudel riss. Ein paar Monate hielt ich noch durch, aber dann brach ich zusammen. Anders kann man das nicht nennen. Ich verfiel in eine totale Apathie, die schlagartig alle Farben um mich herum verblassen ließ.
     
    Ab Mai war ich krank geschrieben und ließ mich erst zur Weihnachtsfeier wieder in der BANK blicken. Ich trank ein Glas Wein und plauderte mit den Kollegen, das heißt, ich versuchte es. Die meisten übersahen mich geflissentlich oder redeten über Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte. Es waren auch viele Neue dazugekommen. Jeanine war nicht da, sie lag mit Grippe im Bett.

    Ich nippte an meinem Wein und blickte in die Runde. Von Renées Beförderung war damals noch nicht die Rede; mir fiel nur auf, dass sie ständig das große Wort führte. Die während meiner Abwesenheit dazugekommenen Neuen, darunter auch Margot, nahmen keine Notiz von mir.
    Vielleicht haben sie Hemmungen, dachte ich.
    Ich lächelte sie freundlich an; sie wandten den Blick ab.
    Ich suchte Kontakt zu Luuk und Roy, zwei Sachbearbeitern, mit denen ich mich immer gut verstanden habe. Sie antworteten auf meine interessierten Fragen, bemühten sich aber nicht, das Gespräch in Gang zu halten. Bald begannen sie über Fußball zu sprechen und über einen schwierigen Kunden, der ständig Einblick in die Zahlen verlangte. Ich hörte zu, nippte wieder an meinem Wein und blickte in die Runde.
    Wouter stand neben mir und hatte mir halb den Rücken zugekehrt.
    Ich ging früh nach Hause.
     
    Gefreut habe ich mich also nicht darauf, wieder zur Arbeit zu gehen, aber was soll’s, es ist ja nur halbtags. Wird schon werden!
    Ich fange an, die Umschläge zu öffnen und Gummibänder zu entfernen. Schon nach einer halben Stunde habe ich es gründlich satt. Wie spät ist es, um Himmels willen? Noch nicht mal neun! Wie soll ich diesen Tag bloß durchstehen?
    Ich sehe mich im Sekretariat um. Ein paar Meter weiter sitzt Margot; ihr Schreibtisch steht im rechten Winkel zu dem von Renée, sodass die beiden miteinander reden können, ohne dass ich etwas mitbekomme.
    Die Sachbearbeiter gehen ein und aus, sie bringen Konzepte, die abgetippt werden müssen, Post, die per Einschreiben zu verschicken ist, und dergleichen mehr. Renée organisiert
und delegiert wie ein Schiffskapitän. Die unangenehmsten Jobs bekomme ich. Und davon gibt es mehr als genug. Schachteln falten fürs Archiv, Kaffee im Konferenzraum bereitstellen, Besucher in der Halle abholen. Der Vormittag schleppt sich dahin.
    Als ich um halb eins meine Tasche nehme, habe ich mit niemandem ein freundliches Wort gewechselt und fühle mich total ausgelaugt.
    Ich gehe zum Parkplatz, steige in mein Auto und fahre langsam vom Firmengelände.

KAPITEL 3
    Todmüde komme ich nach Hause. Meine Zweizimmerwohnung ist ein einziges Chaos. Nach der funktionalen Strenge im Büro fällt mir die bunt zusammengewürfelte Einrichtung besonders auf. Kein Mensch hat mir je gesagt, dass mein Gehalt hauptsächlich für den Kredit und den Supermarkt draufgehen würde; dass kaum noch etwas übrig bleibt für den jeweils angesagten Lifestyle. Mit weiß gestrichenen Wänden, etwas Farbe für die abblätternden Fensterrahmen und einem pastellfarbenen Teppich auf dem kahlen Dielenboden habe ich versucht, etwas Atmosphäre zu schaffen. Ich lege meine Tasche auf den Tisch. Mein Burn-out-Syndrom saugt mich aus, lässt mich wie eine ausgequetschte Zitrone aufs Sofa sacken.
    Nach einer Weile raffe ich mich auf und werfe auf dem Weg in die Küche einen Blick auf den Anrufbeantworter. Das rote Lämpchen zwinkert mir zu. Überrascht bleibe ich stehen. Eine Nachricht?
    Neugierig drücke ich die Abhörtaste. Ein eintöniges Besetztzeichen verrät mir, dass sich der Anrufer nicht die Mühe gemacht hat, eine Nachricht zu hinterlassen.
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