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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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verständigen. Dass der Geier einen Kumpel hat, ist sicherlich
wahr. Polizeieinsatz hätte Madeleines Tod zur Folge! Gut, dass wir Durchblick
haben. Aber wie gehen wir vor? Wir müssen zweigleisig ran. Nämlich Madeleine
befreien und Leluc vor dem unverträglichen Menü bewahren. Was meinst du? Wird
Fugu gekocht oder gebraten?“
    „Das ist doch egal. Auf das
Gift kommt es an. Unser Vorteil ist, dass der Geier nichts ahnt.“
    „Ich beschatte ihn, folge ihm
zu seinem Kumpel, lasse mich — wenn ich Glück habe — zu dem Versteck führen.
Sobald Madeleine befreit ist, kann Haito dem Fugu das Gift abschneiden. Und die
beiden Straffälligen werden das Clubleben austauschen gegen den grauen Alltag
einer Haftanstalt ohne Auslauf.“
    „Gut.“ Gaby griff nach ihrer
Mütze. „Aber wer garantiert, dass du Erfolg hast? Könnte ja sein, du bist bis
Mitternacht auf den Socken. Dann hätte Leluc den Fugu längst verzehrt. Wir
müssen ihn warnen. Das heißt, ich muss ihn warnen. Meinst du, Haito macht
Ernst?“
    „Ich habe den Eindruck, er
spielt mit.“
    „Dass einer alles tut, um sein
Kind zu retten, kann ich verstehen. Aber einen Gast leichtfertig opfern... das
geht andererseits auch nicht. Haito kann ihn nicht kaltblütig mit giftigem
Meerestier füttern. Was wird er unternehmen?“
    „Wahrscheinlich soviel.“ Tim
schnippte mit den Fingern. Die Serviererin missverstand das und glaubte, sie
werde gerufen, weil sich die beiden endlich entschieden hätten. Aber Tim sagte,
soweit wären sie noch nicht.

6. George, die Eidechse
     
    Die Sonne stand tief. Es war
immer noch heiß. Die Moskitos schwärmten aus. Gaby mit ihrem süßen Blut war ein
willkommenes Opfer, war geradezu begehrt. Sie klatschte tapfer auf ihre nackten
Arme und Beine. Tierliebe ja. Und wie! Aber für dieses stechende Ungeziefer war
ihre Sympathie null.
    Sie hatte nichts gegessen und
nichts getrunken, sondern Haitos Fisch-Tempel spornstreichs verlassen.
    Tim saß inzwischen vor einer
Cola — musste er doch darauf warten, dass der Geiertyp endlich mit seinem Bier
fertig wurde.
    Gaby beeilte sich. Als das
Lager in Sicht kam, bog sie ab.
    Die Fußballspieler kickten
nicht mehr. Vor der ersten Baracke hockten einige Jungs. Sie übten sich heftig
im Nichtstun. Aber Gabys Anblick schlug wie eine Bombe ein.
    „Unsere neue Aufseherin!“, grölte
ein rothaariger Bengel. „Ist sie nicht toll!“
    Die andern pfiffen auf
sämtlichen Fingern.
    Sie ging vorbei, entschied sich
dann anders und trat zu dem Rotkopf. Er hatte ein hartes Gesicht. Sein Blick
war unverschämt.
    „Ich will zu Monsieur Leluc“,
sagte sie. „Wo finde ich ihn?“
    „Leluc? Das bin ich!“ Er
grinste. „Habt ihr gehört“, wandte er sich an die andern. „Sie will zu mir, die
Süße.“
    „Ich will zu dem Aufseher Jean
Leluc“, wiederholte Gaby geduldig.
    „Der bin...“ Er sah an ihr
vorbei und sein Grinsen wurde zur Fratze.
    Gaby wandte den Kopf. Ein
junger Mann stand hinter ihr, blond und bärtig. Er lächelte.
    „’n Abend, Mademoiselle. Du
willst zu Leluc? Bitte, komm mit!“ Zu dem Rotkopf sagte er: „Alain, so benimmt
man sich nicht. Nimm dich mal ein bisschen zusammen.“ Aber das kam nicht an bei
dem Burschen. Er spreizte die Beine und spuckte in den Sand.
    Gaby ging mit dem Bärtigen. Er
sagte, er heiße Dubois. Er war Aufseher, Leluc sein Kollege.
    „Ich bin mir nicht sicher, ob
er da ist, Mademoiselle. Heute Nachmittag hat er frei. Ich glaube, er wollte zu
seiner Schwester.“
    Bei der dritten Baracke bogen
sie um die Ecke. Leluc wohnte hier, war aber nicht zu Hause. Auch sein Motorrad
fehlte, wie Dubois feststellte.
    „Willst du eine Nachricht
hinterlassen?“
    Gaby schüttelte den Kopf.
„Nein! Ich muss ihn unbedingt sprechen. Es ist sehr wichtig. Kommt er hierher
zurück?“
    „Sein Dienst beginnt erst
morgen früh. Und Jean ist eine Nachteule. Es kann also sein, dass es spät
wird.“
    „Ich muss ihn vor... ja, vor 22
Uhr sprechen. Davon hängt alles ab. Können wir bei seiner Schwester anrufen?“
    „Sie hat leider kein Telefon.
Ich weiß zwar die Adresse und würde dich hinfahren, aber ich kann hier nicht
weg. Du hast ja gehört, wie einige unserer Zöglinge sind. Ohne Aufsicht geht’s
nicht. Du bist Deutsche? Dein Französisch klingt so.“
    Er schrieb Gisèle Lelucs
Adresse auf. Die Frau wohnte in Chicvillage.
    Hinter der Barackenecke
zerbröckelte Sand.
    Gaby machte rasch zwei Schritte
und sah gerade noch, wie Alain, der Rotkopf, abschob. Er hatte es
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