Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter
Autoren: Michael Innes
Vom Netzwerk:
zurückkommen.
Wenn Mr.   Wedderburns junger Freund in Edinburgh den Horaz nicht beherzigen
will, so mag er die Reihenfolge ändern.

II.
    Als sich die Nachricht im Glen Erchany verbreitete, daß
Ranald Guthrie sich sein gottloses Leben genommen hatte, da herrschte in
Kinkeig nicht eben Trauer. Er war ein ungehobelter Mann gewesen, trotz seiner
Jahre und der vornehmen Herkunft, und hatte einsam gelebt wie eine Krähe, so
lange sich die meisten überhaupt zurückerinnern konnten; einen Einsiedler hatte
unser voriger Pfarrer ihn genannt. Und man erzählt die Geschichte, wie jener
Geistliche einmal vor Jahr und Tag das Tal hinaufgewandert war, um von Guthrie
eine Gabe für mildtätige Werke zu erbitten. Bei manchen hieß es, Guthrie habe
geglaubt, der Pfarrer wolle ihn zur Rede stellen, weil die Bank des Gutsherrn
in seiner Kirche stets leer blieb, und habe seinen verrosteten Vorderlader nach
ihm abgefeuert. Andere sagten, er habe nur die Hunde auf ihn gehetzt; dritte,
es seien die Ratten gewesen, denn die Ratten von Erchany sind in unserer Gegend
berühmter als sämtliche Ratten der Stadt Hameln. Und ob es nun Flinte oder
Hunde oder Ratten gewesen waren, ganz Kinkeig lachte, denn der Pfarrer – der
Vorgänger von Dr.   Jervie – war nicht gut gelitten. Doch wenn sie den Pfarrer
schon nicht mochten, so haßten die Leute Ranald Guthrie. Auf den ersten Blick
schien das unvernünftig, denn der Pfarrer kam einem ständig ins Haus, rief
»Jemand zu Hause?«, und schon im nächsten Augenblick stand er im Zimmer, redete
und redete und erwartete auch noch, daß man ihn mit einem Gläschen bewirtete;
Guthrie hingegen war weit genug fort und fiel niemandem zur Last. Doch die Leute
knirschten schon mit den Zähnen, wenn sie nur den Namen dieses Geizkragens
hörten.
    Guthrie war der geizigste Mann weit und breit, und das in einer
Gegend, die nicht gerade arm an Geizhälsen war. Rob Yule, der die fetten Äcker
unten am Drochet unterm Pflug hatte, hatte mehr Silber in der Truhe als die
meisten anderen, aber wenn sein Mehl aus der Mühle kam, dann ging er hinter dem
Wagen her, schnauzte den Jungen an, er solle vorsichtig fahren, und kratzte mit
einem Kaufmannsschäufelchen jede Handvoll Mehl aus dem Dreck, die etwa
herunterfallen mochte. Und Fairbairn – Fairbairn von Glenlippet, dessen Frau
vor Rheuma nicht mehr laufen konnte, aber so fromm war, daß sie ihn zwang, sich
ein Auto zu halten, damit sie kein Treffen des Wohltätigkeitsvereins oder
dergleichen verpaßte – zahlte die Steuern für sein Automobil immer nur für ein
Vierteljahr, denn schließlich war sie zehn Jahre älter als er, und er gab die
Hoffnung nie auf. Doch weder Rob Yule noch Fairbairn konnten es, wenn es um
Geiz ging, mit Ranald Guthrie aufnehmen – Guthrie, der unter den Landadligen so
wohlhabend war wie Rob unter den Bauern und der, wie man sich erzählte, einmal
ein großer Gelehrter gewesen war. In all unseren Tälern war Ranald Guthrie der
einzige, von dem man mit Fug und Recht sagen konnte, daß er geizig war wie ein
Engländer. Die meisten in Kinkeig hatten schon einmal unter ihm zu leiden
gehabt, denn alles Land weit und breit gehörte ihm, und sein Verwalter, der
gräßliche Hardcastle, genoß es, wenn er die Leute ordentlich antreiben und
piesacken konnte. Als sich die Nachricht in Kinkeig verbreitete, daß Guthrie
sich das Leben genommen hatte, da gab es nicht wenige, die regelrecht
frohlockten, und nur ein paar, die traurige Miene machten. Die meisten waren
erleichtert und hofften, daß ihm ein Besserer als Gutsherr nachfolgen würde.
Doch die wenigen, die einen Funken Phantasie hatten, wandten ein, daß Guthrie
nicht so vorausschauend gewesen war, den gräßlichen Hardcastle mit sich zu
nehmen, damit er für ihn antreiben und piesacken konnte, wo er – wie es ja
gewißlich sein würde – von nun an residieren würde, unter den feinen Herren der
Hölle. Doch Hardcastles Hals war so heil wie an jenem Tage, an dem seine Mutter
ihm zum ersten Mal in sein häßliches Antlitz blickte und vor Entsetzen
aufschrie; und der Blick in seinen Augen verriet – sagte Laurie, unser Dorfpolizist –, daß er aus jenem Unglück seinen schönen Profit zu ziehen gedachte. Als sich
erst einmal herumsprach, daß es bei Guthries Ende nicht mit rechten Dingen
zugegangen war und daß der Sheriff höchstpersönlich nach Kinkeig kommen würde,
um der Sache auf den Grund zu gehen, da gab es viele, die prophezeiten, daß
Hardcastle schon bald hinter schwedischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher