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Klagelied auf einen Dichter

Klagelied auf einen Dichter

Titel: Klagelied auf einen Dichter
Autoren: Michael Innes
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Pfarrer, da der Kantor/Lehrer inzwischen eine
bei Ewan Bells bestem Willen nicht als gelehrt geltende Lehrerin ist, der dann
auch sein unablässiger frauenfeindlicher und antimodernistischer Spott gilt. So
läßt er sich schließlich zur Mitarbeit überreden, und seiner Feder entquillt
nicht nur die ganze ebenso skurrile wie tragische Szenerie um Burg und Dorf,
sondern zwischen den Zeilen entsteht das Selbstporträt einer so liebenswürdigen
wie knorrigen, gelehrten wie kantigen, glaubensstarken wie humorvollen Gestalt,
deren wahres Format erst die letzten Seiten enthüllen.
    Wenn auch weniger farbig, so doch nicht minder interessant und
eigenwillig sind die weiteren Beiträge. Auf Ewan Bells eigens für den Zweck der
Veröffentlichung verfaßte Erzählung folgt ein Originaldokument: Den jungen Noel
Gylby aus der britischen Oberschicht haben die trügerisch zugeschneiten Straßen
und ein Autounfall statt nach London nach Erchany geführt, so daß er
Weihnachten – und zugleich seinen Geburtstag, wie sein Vorname verrät – hier
und nicht mit seinen Freunden und seiner Verlobten verbringen kann. Um sie und
sich zu trösten, plaudert er schriftlich und detailliert vor sich hin –, genau
wie einst Pamela, die Heldin und Schreiberin in Samuel Richardsons erstem
Briefroman der Weltliteratur, bemerkt Gylby selbst genüßlich, wie es in diesem
durchgehend literarisierten Roman nicht anders sein kann. Durch seine ganz
Großbritannien umfassenden familiären Beziehungen kommt auch als dritter
Erzähler Aljo Wedderburn ins Spiel, einer der besten Anwälte Schottlands. Gemäß
der in Schottland ebenso wie in England gängigen strikten Scheidung zwischen
beratenden und forensisch tätigen Rechtsanwälten ist er ausschließlich als
Berater der vornehmsten Familien Schottlands tätig und setzt seinen Ehrgeiz
darein, seinen Klienten die Kosten und Unwägbarkeiten eines Rechtsstreits zu
ersparen. Zudem kokettiert er selbst einleitend mit seiner Konzentration aufs
Zivilrecht und der damit einhergehenden völligen Ahnungslosigkeit, was Fragen
des Strafrechts angeht. Umso vergnüglicher ist es dann, den brillanten
Deduktionen seines juristisch geschärften Verstandes zu folgen.
    Als letzter Beiträger – neben einem, der hier nicht verraten werden
darf – tritt schließlich Michael Innes’ Seriendetektiv John Appleby auf. Ihm
hat der blanke Zufall die Rolle eines amtlichen chaperon zugespielt: Christine, die Nichte des Toten, war in der Unglücksnacht mit ihrem
Romeo nach England abgereist, und ein Vertreter von Scotland Yard hat das Paar
nun zwecks Vernehmung durch die Polizei nach Schottland zurückzubringen. Neben
seinem Anteil als einem der Chronisten des Falls trägt er natürlich als
geschulter Kriminalbeamter auch das seine zur Lösung des Falls bei, eine der
Lösungen, genauer gesagt.
    »Sie werden hingerissen sein von dem technischen Raffinement,
mit dem Innes seinem Geheimnis mehrere plausible Lösungen gibt, deren jede sich
völlig natürlich aus der vorangehenden entwickelt.« (Nicholas Blake)
    Der Vielfalt der Erzähler entspricht eine solche der Lösungen.
In den entscheidenden Sekunden der nächtlichen Tat oder Untat, exakt in der
Stunde, die »Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen« verkündet,
waren alle Burgbewohner, Täter wie reale oder potentielle Opfer, Verdächtige
wie Zeugen, vor, unter oder neben dem Tatort versammelt, meist ohne von den
andern zu wissen. Je nachdem, welchen Ausschnitt des turbulenten Geschehens wer
von welchem Beobachtungsposten aus gesehen hat, ergibt sich ein völlig
verschiedenes Bild. John Appleby, der zunächst den in fast jedem Krimi
begegnenden Vergleich mit einem Puzzle bemüht, merkt schnell, wie inadäquat der
ist – je mehr Steine auftauchen, desto verwirrter wird das Bild – handelt es
sich vielleicht überhaupt um zwei Puzzles, die in- und durcheinander geraten
sind? Treffender ist da wohl die Metapher von der ebenso komplexen wie
instabilen Lösung, die sich mit jedem Ingrediens extrem verändert und erst mit
dem letzten hinzugefügten Tropfen das endliche Ergebnis erkennen läßt.
    Mit den Ergebnissen verändert sich auch der Sinn der Zeilen, die dem
Buch den Titel gegeben haben: »Klagelied für einen Dichter« – »Lament for a
Maker«. »Lament for the Makers« heißt die große, viele Strophen umfassende
Elegie William Dunbars (ca. 1465   –   1530), in der er den Tod so vieler Kollegen
seit Chaucer beklagt, die eigene Todesfurcht gestaltet und die
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