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Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen

Titel: Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
Autoren: Evelyn Boyd
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werden. Ich redete mir ein, dass
ich mich auf die Einsamkeit freute. Immerhin hatte ich diese Reise
angetreten, um in Ruhe meine Zukunft zu planen. Oder um einfach nur
der Vergangenheit nachzutrauern – bemerkte eine kleine, böse
Stimme in meinem Kopf. Schnell verdrängte ich diesen Gedanken
und griff mir ein Tablett. Wenigstens musste ich nicht lange
anstehen. Meine Wahl fiel auf ein Krabbenbrötchen und einen
Becher Milchkaffee. Dann suchte ich mir einen schönen Platz am
Fenster, etwas abseits einer Gruppe LKW-Fahrer, die ein lebhaftes
Gespräch führten.
    Auf einen unbequemen
Plastikstuhl ließ ich mich nieder. Der Kaffee schmeckte
wässrig, aber dafür war das Brötchen umso frischer.
Ich glaubte, mich ganz genau an den Geschmack der Brötchen
meiner Kindheit zu erinnern. Wir hatten früher immer
Krabbenbrötchen auf der Fähre gegessen. Mein Vater pflegte
bei der Gelegenheit zu sagen: »Jetzt fangen die Ferien an. Mit
genau diesem Brötchen.« Dann hatte er uns Kindern
zugezwinkert und herzhaft in sein Krabbenbrötchen gebissen. Ich
hatte nie verstanden, warum mein Vater den Urlaubsbeginn gerade an
dem Krabbenbrötchen festmachte. Nun wusste ich es.
    Mein Blick fiel
durch die Fenster der Fähre auf das Meer und meine Gedanken
schweiften weiter ab. Vor meinem inneren Auge erschien ein rotes
Holzhaus mit weißen Fenstern. Mein Vater, die Arme voller
Holzscheite, kam um die Ecke. ›Na mein Wasserfloh, willst du
mir helfen den Kamin anzufachen?‹, hörte ich seine dunkle
Stimme in meiner Erinnerung. Er hatte mich immer Wasserfloh genannt,
weil ich am liebsten den ganzen Tag am oder im Wasser verbrachte
hatte.
    Eine andere Stimme
riss mich zurück in die Wirklichkeit. Der Kapitän kündigte
über Lautsprecher an, dass die Fähre in wenigen Minuten im
Hafen von Helsingborg einlaufen würde. Die anderen Fahrgäste
hatten bereits das Café verlassen und befanden sich auf dem
Weg zu den Parkdecks. Schnell trank ich meinen Kaffee aus. Dann lief
ich die Treppe hinunter in den Bauch des Schiffes.
    Die
Aurora
af Helsingborg
legte bereits an. Ein Rucken ging durch das ganze Schiff, während
ich nervös nach den Wagenschlüsseln kramte. Doch zum Glück
wurden erst die schweren LKW von Bord gelotst. Kaum hatte ich hinter
dem Lenkrad meines kleinen Fiats Platz genommen, ein Geschenk meines
Vater zum bestandenen Abitur im letzten Jahr, als auch meine Spur
freigegeben wurde. Schon rollten die wenigen Autos von der Fähre.
Ich ließ den Motor an und steuerte den Wagen ebenfalls die
Rampe hinunter. Die Wolken hatten sich verzogen und erste
Sonnenstrahlen empfingen mich. Ich lächelte in mich hinein.
›Wenn Engel reisen‹, hatte Mutter in diesen Momenten
immer gesagt.
    »Willkommen in
Schweden!«, sagte ich zu mir selbst und mein Herz wurde
plötzlich ganz leicht.
    Einige
Zeit später hatte ich die flache Landschaft von Skåne, die
mich sehr an Dänemark erinnerte, hinter mir gelassen. Während
ich immer weiter Richtung Stockholm fuhr, veränderte sich die
Umgebung. Weite offene Felder und Bauernhäuser wurden mehr und
mehr von dichten Wäldern und Felsen abgelöst, die die
breite Straße säumten. Ich hatte gerade einen mit
Baumstämmen beladenen LKW überholt, als ich ein bekanntes
Schild erblickte. Lagan
rastplats
stand darauf geschrieben. An diesem Rastplatz, der direkt an einer
Flussbiegung lag, wollte ich eine Pause einlegen. Ich parkte im
Schatten einiger Bäume und kramte nach meiner kleinen rosa
Kühltasche. Bewaffnet mit Brötchen, Würstchen und
einer Thermoskanne suchte ich mir ein sonniges Plätzchen mit
Blick auf den Fluss.
    Ich goss mir Kaffee
ein. Auch wenn er nicht mehr so heiß war, schmeckte mein Kaffee
deutlich besser, als der auf der Fähre. Nebenbei studierte ich
die Karte von Südschweden. Ich wünschte, ich hätte für
mein Navi das Kartenerweiterungsset Skandinavien gekauft. Nun musste
ich mich mit dieser uralten Version von Straßenkarte
rumschlagen.
    Langsam wurde ich
ein wenig nervös. Ich fragte mich, ob ich wohl den Weg zum
Sommerhaus noch finden würde? Es war doch schon so lange her.
Noch einmal verglich ich die Karte mit der Anfahrtsbeschreibung, die
mir der Vermieter, Herr Krångshult, zugeschickt hatte. Er hatte
sich sehr über meinen Brief gefreut und sofort zugestimmt, als
ich das Sommerhaus für einige Wochen mieten wollte.
    Ob es wohl noch
genauso aussah wie damals?
    Am Nebentisch saß
eine dänische Familie. Der Vater machte Fotos, währende die
beiden Kinder herumtollten und die Mutter
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