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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Autoren: Sue Grafton
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gebaut, mit weiten Ausläufern zur Straße hin; es war drei Etagen hoch und hatte eine Tiefgarage. Eine seltsame Mischung aus Moderne und nachgemachtem Spanisch. Rundbögen und Balkone zierten die Front, hohe schmiedeeiserne Tore führten in einen palmenbepflanzten Hof, doch die Seiten- und Rückwände des Gebäudes waren schmucklos und langweilig, als hätte der Architekt mediterranes Furnier auf eine kahle Sperrholzkiste geklebt und einen Rand roter Ziegel oben drauf gefügt, um ein ganzes Dach vorzutäuschen, wo es keins gab. Sogar die Palmen wirkten wie aus Pappe ausgeschnitten und mit Holzstäben aufrecht gehalten.
    Ich durchquerte den Hof und gelangte in eine von Glas umgebene Vorhalle, in der sich auf der rechten Seite eine Reihe von Briefkästen und Klingeln befand. Zu meiner Linken konnte ich durch eine weitere Reihe von Glastüren, die offensichtlich verschlossen waren, einige Aufzugtüren und einen Notausgang sehen. Im Eingang hatte man kunstvoll einige riesige Topfpflanzen arrangiert. Geradeaus führte eine Tür in den Innenhof, in dem leuchtend gelbe Liegestühle um einen Swimmingpool gruppiert waren. Ich las mir die Namen der Mieter durch, die auf Plastikprägestreifen neben jeder Türklingel standen. Es gab vierundzwanzig Wohnungen. Die Hausmeisterin, Tillie Ahlberg, bewohnte das Apartment Nr. i. Eine »E. Boldt« stand neben Apartment 9, von dem ich annahm, daß es in der zweiten Etage lag.
    Zuerst klingelte ich bei »E. Boldt«. Von mir aus hätte sie sich an der Gegensprechanlage melden können, und mein Job wäre erledigt gewesen. Es hatte schon seltsamere Dinge gegeben, und ich wollte mich nicht lächerlich machen, indem ich überall nach einer Dame suchte, die ebensogut inzwischen zu Hause sein konnte. Es gab keine Reaktion, also versuchte ich es bei Tillie Ahlberg.
    Zehn Sekunden später knisterte ihre Stimme in der Gegensprechanlage, als würde das Geräusch aus dem Weltraum übermittelt.
    »Ja?«
    Ich ging näher an die Anlage heran und erhob meine Stimme.
    »Mrs. Ahlberg? Mein Name ist Kinsey Millhone. Ich bin hier in der Stadt Privatdetektivin. Elaine Boldts Schwester hat mich gebeten, nach ihr zu suchen, und ich dachte, ich könnte vielleicht mit Ihnen sprechen.«
    Einen Moment lang war es still, dann kam die zögernde Antwort.
    »Nun, ja. Ich wollte eigentlich gerade gehen, aber ich denke, zehn Minuten werden nichts ausmachen. Ich wohne im Erdgeschoß. Kommen Sie durch die Tür rechts vom Aufzug, dann ist es am Ende des Flurs auf der linken Seite.« Der Türöffner summte, und ich drückte die Glastür auf.
    Tillie Ahlberg hatte ihre Eingangstür angelehnt gelassen, während sie eine leichte Jacke, ihr Portemonnaie und einen zusammenklappbaren Einkaufswagen, der an einen Flurtisch angelehnt stand, zusammensuchte. Ich klopfte an den Türrahmen, und sie erschien zu meiner Linken. Ich erhaschte einen Blick auf den Kühlschrank und einen Teil der Arbeitsfläche.
    Tillie Ahlberg war etwa Mitte Sechzig und hatte apricotfar-ben getöntes Haar in einer Dauerwelle, die aussah, als wäre sie gerade frisch gelegt worden. Die Locken waren wohl ein bißchen krauser geworden, als sie wollte, denn sie setzte sich eine gehäkelte Baumwollmütze auf. Sie war dabei, eine ungehorsame Strähne apricotfarbenen Haars zu verstecken, die wie bei Ronald McDonald immer noch herauslugte. Ihre Augen waren haselnußbraun, und eine puderige Schicht blaßrötlicher Sommersprossen überzog ihr Gesicht. Sie trug einen formlosen Rock, Strümpfe und bequeme Schuhe, und sie sah aus, als wäre sie in der Lage, weite Strecken zu bewältigen, wenn sie wollte.
    »Ich hoffe, ich war nicht unhöflich«, sagte sie freundlich. »Aber wenn ich morgens nicht als erstes einkaufen gehen kann, ist mir die Laune verdorben.«
    »Es wird sowieso nicht lange dauern«, sagte ich. »Können Sie mir sagen, wann Sie zuletzt von Mrs. Boldt gehört haben? Ist sie Miss oder Mrs.?«
    »Mrs. Sie ist Witwe, obwohl sie erst dreiundvierzig Jahre alt ist. Sie war mit einem Mann verheiratet, der eine Unternehmenskette unten im Süden hatte. Wenn ich richtig verstanden habe, starb er vor drei Jahren an einem Herzinfarkt und hinterließ ihr einen Haufen Geld. Daraufhin kaufte sie diese Wohnung. Bitte, wollen Sie sich nicht setzen?«
    Tillie wandte sich nach rechts und führte mich in ein Wohnzimmer, das mit imitierten Antiquitäten möbliert war. Ein schwach goldfarbenes Licht drang durch die hellgelben Gardinen, und ich konnte noch die Reste des
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