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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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diese sarkastische Bemerkung nicht. Zum einen, weil er sich seine prächtige Laune nicht verderben lassen wollte, und zum anderen, weil er aus jahrzehntelanger Erfahrung wusste, dass irgendeine Reaktion seinerseits doch nur an der Gummiwand der väterlichen Sturheit abgeprallt wäre.
    Schmunzelnd setzte er sich an den Tisch.
    »Kurt, was’n los mit dir? Immer noch beleidigt? Nur weil du mal eine Nacht hier unten verbringen musstest?«, fragte er in Richtung des bärigen Familienhundes, der scheinbar teilnahmslos unter dem Fenster lag. Die Schnauze auf die Pfoten gebettet, erweckte er einen geradezu stoischen Eindruck, doch seinen wachen Augen entging nichts. Tannenberg wechselte in eine höhere Tonlage. »Komm, mein liebes, gutes Mädchen, erbarme dich meiner und verzeih mir. Bitte, bitte.« Kurts Schwanzspitze bewegte sich auf und ab, er begann, leise zu winseln. »Du weißt doch ganz genau, dass ich nur dich lieb habe. Bitte hör auf zu schmollen.«
    Die äußerst gelungene Kreuzung eines Leonbergers mit einer Langhaar-Schäferhündin richtete sich auf und trottete schwanzwedelnd zu Tannenberg. Der imposante Mischlingshund legte den Kopf auf den Oberschenkel seines Herrchens und holte sich die ersten Streicheleinheiten ab. Dann drehte er sich auf den Rücken und ließ sich ausgiebig das zarte Bauchfell kraulen.
    Margot servierte derweil dem Geburtstagskind einen großen Becher Kaffee. Sie stemmte die Arme in die Hüften und verkündete: »Kuchen kriegst du jetzt aber noch keinen. Den gibt’s erst nachher, wenn die ganze Familie beisammen ist.«
    Ihr Gesicht nahm plötzlich einen mürrischen Ausdruck an. »Wisst ihr was, am besten trinkt ihr jetzt schnell euren Kaffee, und dann geht ihr mir aus den Füßen. Ich kann euch hier nämlich überhaupt nicht gebrauchen. Jacob, du besorgst mir ein paar wichtige Sachen auf dem Markt. Und du, Wolfi, kannst außerhalb meiner Küche tun und lassen, was du willst. Schließlich ist heute dein Ehrentag.«
    Jacob warf seiner Frau einen giftigen Blick zu und knurrte: »Wenn ich Geburtstag hab, muss ich trotzdem immer einkaufen gehen.«
    »Schon gut, Vater. Ich übernehme das gerne mit dem Markt. Ein bisschen Bewegung schadet mir gar nichts.«
    Margot riss den Einkaufszettel ab und reichte ihn ihrem Sohn. Anschließend wies sie mit dem Zeigefinger zur Decke. »Schläft deine Freundin noch?«, fragte sie im Flüsterton.
    »Ja, Mutter, sie schläft noch. Sie sieht aus wie ein kleiner Engel.«
    »Ach Gott, wie kitschig«, höhnte Jacob. Er taxierte seinen jüngsten Sohn mit einem abschätzigen Blick. »Was diese tolle Frau bloß an dir findet«, blaffte er und verzog sich anschließend in den Keller zu seiner geliebten Modelleisenbahnanlage.
    Grinsend drückte Tannenberg seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und machte sich auf den Weg in die Innenstadt.
     
    Beschwingten Schrittes eilte er durch die Beethovenstraße. Höflich grüßte er die Nachbarn, die entweder aus den Fenstern lehnten und ein Schwätzchen hielten, die Straße fegten oder an ihren Autos herumbastelten. Ja, sogar die Schleicherin bedachte er an diesem herrlichen Sommermorgen mit einem freundlichen Wort, obwohl er ihr ansonsten lieber aus dem Weg ging. Sie war ihm einfach zu neugierig und aufdringlich. Außerdem erinnerte ihn der kleine, übergewichtige Hund, den sie mehr hinter sich herzog als ausführte, an Kurts Vorgänger, einen heimtückischen und bissigen Dackel, der bei seinen Eltern das Gnadenbrot verzehren durfte.
    Er schwenkte in die Eisenbahnstraße ein. An der Einmündung der Karl-Marx-Straße musste er an der roten Fußgängerampel warten. Sein umherschweifender Blick blieb auf einer Frau haften, die er im Geiste spontan als fleischgewordenes Gesamtkunstwerk deklarierte. Obwohl er sie nur schräg von hinten sehen konnte, war unverkennbar, dass diese Dame ihre besten Jahre bereits lange hinter sich gelassen hatte. Ein unübersehbares Faktum, das sie offensichtlich durch extrovertierte Kleidung und einen regelrechten Parfum-Overkill zu kaschieren versuchte.
    Die Ampel schaltete auf Grün. Tannenberg trottete hinter der paradiesvogelartigen Erscheinung her. Es muss wohl an einer Kombination dieses penetranten Parfums mit dem Geräusch ihrer laut klackenden Schuhe gelegen haben, dass der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission urplötzlich zu wiehern begann. Er tat dies derart geräuschvoll, dass nicht nur einige Passanten auf ihn aufmerksam wurden, sondern auch die vor ihm wie eine Diva dahinschreitende
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