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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jugend, und sein braunes Gesicht ist ebenmäßig und klar. Natürlich, Inder sind indogermanischen Ursprungs! Rassenlehre von Günther. War einmal die Bibel der Hitler-Anthropologen! Wenn sie nur nicht so selbstsicher wären, diese sogenannten ›erwachenden Völker‹.
    Professor Karchow räusperte sich.
    »Sie wissen, was ich Ihnen sagen will, Dr. Petschawar?«
    »Nein, Herr Professor«, sagte Dr. Sandru ehrlich.
    »Zunächst eine Feststellung, die europäische Sitten betrifft: Ein Lokus ist zum Scheißen da und nicht zum Poussieren!«
    Das Gesicht Dr. Sandrus wurde dunkler. Aha, dachte Karchow. Auch Farbige können erröten! Interessant.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen, Herr Professor«, sagte Dr. Petschawar beherrscht. Professor Karchow wedelte mit der rechten Hand.
    »Ich meine, daß es im Haus andere Orte gibt, wo man seine hormonalen Aufwallungen abreagieren kann! Von mir aus im Keller oder unterm Dach, aber nach meinem immerhin nicht übertriebenen verfeinerten Geschmack ist ein Scheißhaus nicht der geeignete Ort für sexuelle Vorpostengefechte.«
    »Ich liebe Karin!« sagte Dr. Sandru laut.
    »Aha! Und wie soll das weitergehen, Dr. Petschawar? Heirat? Bitte schön, ich freue mich.«
    »Zunächst lieben wir uns, Herr Professor.«
    »Das war fein und diplomatisch ausgedrückt. Zunächst! Diese Redewendung sollte man sich merken. Man läßt sich einladen zu einem Schlückchen Wein, aber die Flasche braucht man nicht zu bezahlen!«
    »Ich verstehe Sie nicht, Herr Professor –«, sagte Dr. Sandru vorsichtig. Sein Deutsch war noch nicht so vollkommen, um bildhafte Gleichungen zu begreifen. Prof. Karchow winkte wieder ab.
    »Schon gut. Gehen wir zu unserem Divertikel! Ich wollte nur sagen, Dr. Petschawar: Wenn schon Lustgefühle, dann bitte an einem Ort, wo Sie keiner unserer kleinen Patienten überraschen kann. Mit Masern kommen sie zu uns – und als Sexualfantastiker entlassen wir sie. Das geht zu weit, mein Lieber!«
    Ehe Dr. Petschawar die scharfe Antwort, die er auf der Zunge balancierte, aussprechen konnte, hatte sich Karchow abgewandt und betrat den OP. Er stellte sich an das Waschbecken, seifte sich die Hände und Unterarme ein und sah über die Schulter zum OP-Tisch.
    »Wie weit sind wir, Julius?« rief er.
    »Ich habe gerade die Unterbauchhöhle eröffnet.« Dr. Julius' Stimme klang gedämpft durch den Mundschutz. »Das Divertikel sitzt 60 cm oberhalb der Bauhinschen Klappe, wie vermutet. Es scheint eine unvollständige Rückbildung des embryonalen Ductus omphalomesentericus zu sein.«
    »Es ist es, mein Bester! Bereiten Sie alles für die Resektion vor –«
    Dr. Petschawar, früher mit dem Waschen fertig als der Chef, trat an den Tisch. Oberarzt Julius blickte ihn über den Mundschutz hinweg kritisch an.
    »Dicke Luft?« fragte er leise.
    Dr. Petschawar schüttelte den Kopf. »Nicht für Sie, Oberarzt … Sie sind weiß …«
    In seiner Stimme lag die ganze Traurigkeit eines Menschen, der sich bewußt ist, zweitrangig zu sein.
    Nach der Operation, die Prof. Karchow mit der Schnelligkeit der Routine beendete, zumal er nur die letzten Handgriffe selber tun mußte, die Oberarzt Dr. Julius ihm überließ, weil es ja eine ›Chefoperation‹ war und dementsprechend auch bei dem Privatpatienten liquidiert wurde, kehrte er sofort in sein Zimmer zurück. Dort stellte er das Telefon zum Sekretariat durch und fragte, was es Interessantes gäbe.
    »Liegt etwas vor?«
    »Ja, Herr Professor, im Wartezimmer sitzt ein Herr, der Sie sprechen möchte.«
    »Vater eines Kindes in unserer Klinik?«
    »Nein, ich glaube nicht. Der Herr sagt, es sei privat.«
    »Privat?« Prof. Karchow runzelte die Stirn. Privatbesuch in der Klinik. Das war etwas Neues. Er dachte schnell nach, wer von seinen Freunden oder Bekannten ihn vertraulich sprechen könnte. Denn nur das konnte es sein, vertraulich, unter vier Augen, wenn man ihn im sterilen Rahmen einer Klinik aufsuchte. »Wie sieht er aus?« fragte er.
    »Mittelgroß. Alter etwa um die Fünfzig herum. Gut angezogen. Gute Manieren.« Die Sekretärin suchte nach weiteren Begriffen. Dr. Karchow räusperte sich.
    »Es genügt. In zehn Minuten führen Sie den Besucher zu mir.«
    Mittelgroß, um die Fünfzig? Karchow stand auf und ging abwägend hin und her. Es konnte Dr. Mallente sein. Dipl.-Ing. Mallente. Ein flotter Bursche. Ob er Kummer mit einer seiner Freundinnen hatte? Nicht bei mir, dachte Karchow. Ausgeschlossen! Wer schießt, muß sich auch das Weidmannsheil gefallen
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