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Kind des Grals

Kind des Grals

Titel: Kind des Grals
Autoren: Vampira VA
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Hand in einer aufgenähten Tasche ihres Kleidchens vergraben und spielte nervös mit etwas, das klimperte.
    »Was hast du da?«
    Rahel sah widerstrebend zu ihr auf. Der Blick des Mädchens war voller Angst. »Nichts.«
    »Du kannst es mir ruhig zeigen. Ich würde mich auch gern mit dir und deinem Bruder unterhalten .«
    »Worüber?« Es war David, der die Frage in feindseligem Ton stellte.
    Seine Gefühle waren verständlich. Er machte keinen Unterschied zwischen Lilith und Anum. Sie beide hatten ihn und seine Schwester gezwungen, sie in ihr verlassenes Elternhaus und die Wohnung über dem Gemüseladen zu begleiten. Sie beide mußten der Inbegriff des Bösen für die Kinder sein, zumal die wahren Mörder ihrer Eltern nicht für sie greifbar waren.
    Vampire.
    Angehörige der örtlichen Sippe hatten Rebecca und Gershom Chaim auf dem Gewissen!
    Gewissen. In Lilith krampfte sich etwas zusammen. Sie erinnerte sich nicht, jemals so scheinbar unmotiviert ins Schwitzen gekommen zu sein wie jetzt - während sie zwei Kindern in die Augen sah, die ahnten, daß ihnen Furchtbares bevorstand, aber nicht annähernd die wahre Dimension des Schreckens kannten, der über sie hereinbrechen würde, wenn Anum seine Ankündigung in die Tat umsetzte.
    Tyrannisch, ohne Rücksicht auf Liliths Bedenken.
    »Ihr habt Schlimmes durchgemacht«, sagte sie. »Ich versichere euch, daß es mir leid tut. Aber weder er -«, sie deutete zur Tür der Kammer, in der Anum verschwunden war und wo jetzt wieder ein schwacher purpurner Schein durch die Ritzen drang, »- noch ich sind schuld an dem Leid, das ihr vor der Begegnung mit uns erfahren habt! Die Schuldigen wurden bestraft. Sie existieren nicht mehr.«
    »Auge um Auge«, sagte David verächtlich. »Ihr seid nicht besser als sie. Laßt uns gehen. Gebt Rahel und mir endlich Gelegenheit, mit unserer Trauer fertig zu werden! Verschwindet aus diesem Haus!«
    Spätestens in diesem Augenblick begriff Lilith, daß sie es nur mit einem Kind zu tun hatte.
    Denn David war kein Kind mehr. Mit seinen zwölf Jahren bewies er eine erstaunliche Reife, die Lilith beschämte.
    Es ist Wahnsinn, wandten sich ihre Gedanken wieder Anums Vorhaben zu, einen neuen Versuch mit dem Kelch zu wagen, obwohl alle bisherigen in neuerer Zeit fehlgeschlagen waren - teilweise mit katastrophalen Ergebnissen. Der pure Wahnsinn! Ich darf es nicht zulassen!
    Noch während sie dies dachte, wußte sie, daß sie ihn verlieren würde, wenn sie sich in diesem Punkt gegen ihn stellte.
    War es das wert?
    Aber was war eine Beziehung wert, in der ein Partner die Prinzipien des anderen mit Füßen trat?
    »Das geht nicht«, ging sie mit leiser Stimme auf Davids Gefühlsausbruch ein. »Noch nicht.«
    Rahel schwieg, sah nur stumm zu ihr auf. Als ihr Bruder verbittert schwieg, zog sie ihre Hand aus der Tasche und zeigte Lilith eine Münze.
    »Wo hast du das her?«
    Rahel zuckte die Achseln.
    »Darf ich sie mir ansehen?«
    Und während Lilith die Hand ausstreckte, versuchte sie zu ignorieren, daß der Anblick der beiden Menschen vor ihr nicht nur ein Schutzbedürfnis in ihr weckte, sondern auch etwas . Dunkleres.
    Nein!
    Sie wußte, welch abnormes anderes Bedürfnis sie mit Anum gemeinsam hatte: den Durst nach Blut. Sie brauchte es ebenso zum Überleben wie er. Und auch aus sehr viel niedrigeren Gründen, zum Erhalt ihrer Schönheit nämlich .
    Ich stehe den Menschen nicht näher als ihm, dachte sie. Ich darf mir nichts vormachen. Auch die CHRONIK, auch Beth' Erinnerungen ließen keinen Zweifel daran, daß ich nie in ihrer Welt akzeptiert wurde. Ich war immer ein Fremdkörper, und daran wird sich nie etwas ändern. Warum fällt es mir dann trotzdem immer noch so schwer, Farbe zu bekennen? Schwarz, nicht Weiß ist meine Farbe ...
    Und doch weigerte sie sich, eine Bestie in sich zu sehen.
    Einen Bastard, ja. Einen Bastard, der sich unter Mensch und Vampir hatte behaupten müssen, in keiner dieser beiden Umgebungen aber eine Heimat gefunden hatte.
    Doch wenn Anums Vision sich erfüllen sollte, wenn unter seiner Ägide tatsächlich eine Welt entstand, über die er mit ihr gemeinsam herrschen würde, dann -- dann vielleicht würde auch sie sich endlich ein wenig zu Hause fühlen können. In der Hohen Zeit. Dem enttechnisierten Zeitalter, von dem er ihr erst kürzlich geradezu schwärmerisch erzählt hatte!
    Rahel verbarg die Münze in ihrer kleinen Faust. Ein störrischer Zug trat in ihr Gesicht, in dem die Augen den Blick wie zwei strahlend erleuchtete
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