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Kind der Sünde (German Edition)

Kind der Sünde (German Edition)

Titel: Kind der Sünde (German Edition)
Autoren: Eve Silver
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„Im Hinterzimmer.“
    Mit klopfendem Herzen und bemüht, äußerlich ruhig zu bleiben, durchquerte sie die Bar und sondierte das Gelände. Es gab zwei Korridore, von denen einer zu den Waschräumen führte. Dort gibt es bestimmt einen unbewachten Hinterausgang, dachte Amber.
    Der andere Gang endete an einer Tür, die offenbar zu besagtem Hinterzimmer führte. Dort war ein Bodyguard postiert. Mit unbewegter Miene ließ er Amber eintreten, nachdem er von dem Mann, der Amber begleitet hatte, ein Zeichen bekommen hatte. Noch beim Eintreten vernahm sie einen kurzen, aber wütenden Wortwechsel zwischen den beiden und drehte sich kurz um. Dann schloss sich die Tür.
    In dem Raum, in dem sie sich nun befand, schien es kälter zu sein als draußen. Jedenfalls fröstelte Amber so, dass sie sich einen Moment lang die Arme rieb. Es herrschte ein dämmriges Zwielicht, das von einer trüben Glühbirne in einer Stehlampe herrührte. In ihrem Lichtkreis saß in der Mitte des Zimmers auf einem Stuhl mit gerader Lehne ein schlanker, drahtiger Kerl. Ein Stück weiter vor ihm stand ein hoher Spiegel. Obwohl es schwer einzuschätzen war, weil er saß, hatte Amber nicht den Eindruck, dass er außergewöhnlich groß war.
    „Big Ralph?“, fragte sie.
    „Wie ich höre, eilt mir mein Ruf voraus.“ Sein Mund verzog sich zu einem schmierigen Grinsen. Er richtete sich auf – und war sichtlich überrascht, als sie in den Lichtkreis trat und er ihr Gesicht sah.
    „Sie lassen mich schon eine geraume Zeit verfolgen.“
    „Ja. Und Sie sind verdammt schwer zu fassen zu kriegen“, entgegnete er gereizt. „Wie ich hörte, haben Sie drei von meinen Leuten abgehängt.“ Er machte eine Pause und sah sie an. Die Sekunden schleppten sich quälend lang hin. „Komisch, Sie sehen nicht aus, als seien Sie schon hundert Jahre alt.“
    Also wusste er, was sie war. Wahrscheinlich wusste er mehr über sie als sie selbst. Die blanke Wut kochte in ihr hoch und überlagerte ihre anfängliche Furcht. Amber merkte, dass die Knöchel an seinen Händen verletzt waren, als wäre er kürzlich in eine Schlägerei verwickelt gewesen. Seine Züge wirkten gezeichnet und verbraucht. Ohne Frage war er ein Sterblicher.
    Sie war nicht sterblich.
    Vor ihm hatte sie sich gefürchtet? Vor diesem Mann, der so verwundbar war?
    „Was wollen Sie von mir?“
    Abwehrend hob er die Hände. „Sehen Sie, überall gibt es Meinungsverschiedenheiten. Eltern streiten mit ihren Kindern und umgekehrt. Ich habe selbst einen Sohn, und manchmal bekommt er von mir etwas hinter die Ohren. Sonst kapiert er es nicht. Dann ist er sauer und haut ab. Aber er kommt darüber hinweg. Und jetzt glaube ich, dass es Zeit wird, dass Sie über einiges hinwegkommen.“
    Amber kam sich vor wie im falschen Film. Das konnte nicht wahr sein. „Was reden Sie da? Sie und Ihre … Leute verfolgen mich seit einem Jahrhundert, und jetzt erzählen Sie mir hier Ihre Familiengeschichten?“
    Er blinzelte. Er wirkte beinahe verstört.
    „Er will dir sicher nichts aus seinem Familienleben erzählen“, sagte plötzlich jemand hinter ihr – Kai.
    Amber fuhr herum. Ein ungeheurer Stein fiel ihr vom Herzen. Sie hatte gewusst, dass er im richtigen Augenblick auftauchen würde.
    „Habe ich dir nicht gesagt, du sollst bleiben, wo du bist?“ Trotz dieses kaum verhohlenen Tadels war sein Ton sanft und freundlich.
    „Du hast mir gar nichts zu sagen.“ Das Lächeln, das ihr übers Gesicht huschte, zeigte ihm, das ihre patzige Antwort nicht ganz wörtlich zu nehmen war. Er erwiderte ihr Lächeln. „Hast du bekommen, was du gewollt hast?“, fragte Amber noch.
    „Hab ich. Alles in Sicherheit.“
    „Sie sind hier nicht bei sich zu Hause.“ Big Ralph hatte sich erhoben und war dabei, die Geduld zu verlieren.
    „Halt dich da raus“, herrschte Kai ihn an. Er schaute kurz zum Spiegel und wandte sich dann an Big Ralph. „Ich denke, der Zeitpunkt ist gekommen, an dem wir die Dinge besprechen sollten wie vernünftige Leute.“
    Irgendetwas blieb zwischen den beiden Männern ungesagt, das Amber nicht begriff. Deshalb fragte sie misstrauisch: „Was geht hier eigentlich vor?“
    „Sehen Sie selbst“, meinte Big Ralph und drehte den hohen Spiegel so, dass sie hineinblicken konnte.
    Für einen Moment glaubte Amber nichts weiter zu sehen als ihr Spiegelbild. Dann bemerkte sie jedoch, dass die Gestalt keine Frau, sondern ein junger Mann war, ein hochgewachsener, athletischer junger Mann, der allerdings eine verblüffende
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