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Kind der Prophezeiung

Kind der Prophezeiung

Titel: Kind der Prophezeiung
Autoren: David Eddings
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Gericht benötigte, und sie würzte alles mit einer Prise oder einer Spur oder einem nachlässig wirkenden Schütteln eines ihrer irdenen Gewürztöpfe. Es war, als ob eine Art Magie um sie herum war, ein Wissen und eine Macht, die über die einfacher Leute hinausging. Und doch, selbst wenn sie am meisten beschäftigt war, wußte sie immer ganz genau, wo Garion war. Selbst wenn sie einen Pastetendeckel ausrollte, einen besonderen Kuchen dekorierte oder ein gerade gefülltes Huhn zunähte, konnte sie, ohne hinzusehen, ein Bein ausstrecken und ihn mit Knöchel oder Ferse vor den Füßen der anderen in Sicherheit bringen.
    Als er etwas älter war, wurde sogar ein Spiel daraus. Garion paßte auf, bis sie viel zu beschäftigt schien, ihn zu bemerken, dann rannte er auf seinen kräftigen, kurzen Beinen lachend auf eine Tür zu. Aber sie fing ihn immer ein. Dann lachte er lauter, warf seine Arme um ihren Hals, küßte sie und entwischte ihr, um die nächste Gelegenheit zum Fortlaufen abzupassen.
    Er war in jenen frühen Jahren ganz davon überzeugt, daß seine Tante Pol die wichtigste und schönste Frau der Welt sei. Zum einen war sie größer als die anderen Frauen auf Faldors Farm – fast so groß wie ein Mann –, und ihr Gesicht war immer ernst, fast streng, außer mit ihm natürlich. Ihr Haar war sehr lang und sehr dunkel, fast schwarz, bis auf eine einzige Locke über ihrer linken Augenbraue, die weiß wie Schnee war. Des Nachts, wenn sie ihn in seinem kleinen Bett zudeckte, das dicht neben dem ihren in ihrem Zimmer über der Küche stand, streckte er die Hand aus und berührte diese weiße Locke; sie lächelte dann und streichelte sein Gesicht mit sanfter Hand. Dann schlief er ein, zufrieden mit dem Wissen, daß sie da war und über ihn wachte.
    Faldors Farm lag ziemlich genau im Zentrum Sendariens, eines nebligen Königreiches, das im Westen vom Meer der Stürme und im Osten durch den Golf von Cherek begrenzt wurde. Wie alle Farmhäuser jener Zeit und jener Gegend, bestand Faldors Farm nicht nur aus ein oder zwei Gebäuden, sondern aus einem ganzen, solide gebauten Komplex von Schuppen und Scheunen, Hühnerställen und Taubenschlägen, die sich alle um einen Innenhof gruppierten, der an einer Seite von einem starken Tor verschlossen wurde. Rundum im zweiten Stock lagen die Räume, manche geräumig, andere winzig, in denen die Farmarbeiter lebten, die die weiten Felder außerhalb der Mauern pflügten, bepflanzten und abernteten. Faldor selbst wohnte in Gemächern in dem eckigen Turm oberhalb des Speisesaales, in dem sich seine Arbeiter dreimal am Tage versammelten – während der Erntezeit manchmal sogar viermal –, um die Wohltaten aus Tante Pols Küche zu genießen.
    Alles in allem war es ein recht glücklicher und harmonischer Ort. Farmer Faldor war ein guter Herr. Er war ein großer, ernster Mann mit einer langen Nase und einem noch längeren Kinn. Obwohl er selten lachte oder auch nur lächelte, war er freundlich zu denen, die für ihn arbeiteten, und ihm schien mehr daran zu liegen, ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen zu erhalten, als den letzten Tropfen Schweiß aus ihnen herauszupressen. Auf viele Arten war er eher ein Vater als ein Herr für die etwa sechzig Leute, die auf seinem Grund lebten. Er aß mit ihnen – was ungewöhnlich war, denn einige Farmer im Distrikt suchten sich von ihren Arbeitern fernzuhalten –, und seine Gegenwart am Kopfende des Mitteltisches im Speisesaal übte einen mäßigenden Einfluß auf einige der Jüngeren aus, die bisweilen etwas ungestüm waren. Farmer Faldor war ein frommer Mann, der vor jeder Mahlzeit mit einfachen Worten den Segen der Götter erbat. Die Leute auf der Farm, denen dies bekannt war, hatten zumeist den Anstand, vor dem Essen gesittet in den Speisesaal zu kommen und sich zumindest den Anschein von Frömmigkeit zu geben, bevor sie sich über die hochbeladenen Platten und Schüsseln hermachten, die Tante Pol und ihre Helfer vor sie hingesetzt hatten.
    Wegen Faldors gutem Herzen – und der Magie von Tante Pols geschickten Fingern – war die Farm im ganzen Bezirk bekannt als der beste Ort zum Arbeiten und Leben im Umkreis von zwanzig Meilen. Ganze Abende wurden in der Taverne des nahe gelegenen Dorfes Obergralt damit verbracht, genaue Beschreibungen der geradezu wundervollen Mahlzeiten zu verbreiten, die in Faldors Speisesaal serviert wurden. Weniger glückliche Männer, die auf anderen Farmen arbeiteten, wurden oft beobachtet, wie sie nach einigen Krügen
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