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Killing God

Killing God

Titel: Killing God
Autoren: Kevin Brooks
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Inside Me
. Ein Moment Stille, das Ticken eines Schlagzeugs, dann setzt der Bass ein, die Gitarren fangen an zu wummern und

    (i take my time away
    and i see something)

    Ich seh zu viel.
    Ich seh, wie sich die andern Fahrgäste in den dicken Glasscheiben farblos spiegeln. Ich seh einen kleinen Jungen, der sein Kinn auf die silberne Stange einer Rückenlehne stützt und darüber grinst, wie das Busdröhnen seinen Kopf vibrieren lässt. Seine Mutter faucht ihn laut an –
»Dennis!«
–, und als er nicht hört, reißt sie ihn unfreundlich mit der Hand am Arm und faucht noch lauter:
»Ich sag’s nicht noch einmal!«
    Dennis ist das egal.
    Weiter vorn im Bus seh ich einen Mann in den Zwanzigern mit dreckigen Fingernägeln und pockennarbiger Haut, der die Seiten von einer Computerzeitschrift durchblättert und – stell ich mir vor – nach irgendwas sucht, was er haben will. Vor ihm flüstern zwei dürre Teenies in engen Klamotten miteinander. Sie grinsen und prusten und vor ihnen sitzt ein Junge ungefähr in meinem Alter allein und spielt nervös mit der Kapuzenkordel von seiner Jacke.
    Auf die Rückseite der Lehne vor mir ist ein Hakenkreuz gemalt, dazu ein Kopf mit großen Zähnen und irgendwas, das aussieht wie eine behaarte Riesenamöbe. Ich glaub ja nicht, dass es eine behaarte Riesenamöbe
sein
soll, aber genau so sieht’s aus. Auf dem Boden seh ich ein paar Kaugummiflatschen und ein Stück Zellophan.
    In dem silbrig schwarzen Regen draußen zieht die Stadt vorüber. Straßen, Alleebäume, leere Sportplätze, orange leuchtende Laternen, Stromleitungen, tausend Häuser, Autos, Menschen. Der grüngraue Schlier des Flusses. Eine Brücke. Eine Reihe kleiner Geschäfte … wo ein traurig aussehendes Mädchen unter der Markise von einem Zeitungsladen dieAushänge studiert, die am Schaufenster kleben … aber ich glaub nicht, dass sie die Infos wirklich liest. Wahrscheinlich wartet sie bloß auf jemand. Und einen Moment frag ich mich, auf wen sie wohl wartet – auf ihren Freund, ihre Mutter, ihren Vater?

    Das traurig aussehende Mädchen schaut jetzt von dem Schaufenster weg und streicht eine Locke hinters Ohr, und während sie erwartungsvoll die Straße entlangguckt, geht die Ladentür auf und ein asiatischer Mann kommt raus, geht neben ihr in die Hocke und sichert mit einer großen Kette einen Kaugummiautomaten.

    (Ich seh das alles von meiner Höhle aus, aber es ist zu eng und dunkel hier drinnen, als dass mich irgendwer oder irgendwas sehen könnte.)

    Auf dem Sitz hinter mir hustet ein alter Mann seinen Altmännerhusten –
chah!

    (Ich heiß Dawn.
    Ich bin dreizehn Jahre alt.
    Ich heiß Dawn.)

    Ich schließ meine Höhlenaugen, mach die Tüte auf und zieh meine Heilige Schrift raus.

    (i’ve seen it all before)

    Ich weiß, wie die Bibel losgeht (
Am Anfang
usw.), also fang ich nicht auf der ersten Seite an, sondern öffne sie einfach, blättre die lappig-dünnen Seiten durch und fang wahllos irgendwo an zu lesen. Und das Erste, was ich finde (ich will dich wirklich nicht verscheißern, das hier ist ungelogen die Wahrheit) … das Erste, was ich finde, ist eine echt krasse Geschichte über einen Leviten und seine Konkubine.
    Natürlich hab ich keine Ahnung, was ein Levit ist oder eine Konkubine, aber nach den
erläuternden Fußnoten zum besseren Verständnis
ganz am Ende der Bibel ist ein Levit »ein Nachkomme
Levis:
ein untergeordneter Priester im alten jüdischen Gottesdienst«. Und eine Konkubine ist nicht (wie ich dachte) eine Art biblische Biene, sondern eine Frau, die in unehelicher Gemeinschaft mit einem Mann lebt, also eine Geliebte.
    Okay, dann ist das also die Geschichte von einem alten Priester und seiner Freundin oder Geliebten, und wenn ich es richtig versteh, reisen die beiden einfach durch Israel oder so. Sie sind an einem Ort namens Gibea, wo sie aus irgendeinem Grund keine Unterkunft finden.
    Dann kommt dieser alte Mann vorbei und sagt, wenn sie wollen, können sie bei ihm wohnen, also gehen sie zusammen zum Haus von dem Alten und eine Weile läuft auch alles ganz cool – er füttert ihre Esel, macht ihnen Abendbrot und gibt ihnen was zu trinken.
    Doch dann kommt das hier:

    22 Während sie sich’s nun wohl sein ließen, umringten plötzlich einige Männer aus der Stadt, übles Gesindel, das Haus, schlugen an die Tür und sagten zu dem alten Mann, dem Besitzer des Hauses: Bring den Mann heraus, der in dein Haus gekommen ist; wir wollen
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