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Killer im Kopf

Killer im Kopf

Titel: Killer im Kopf
Autoren: Jason Dark
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vorstellen, wo ihm diese Person schon einmal begegnet war.
    Er hatte sie schon gesehen.
    Ja, sie war ihm nicht fremd.
    Er kannte sie. Gut sogar – oder?
    Der Machetenmann runzelte die Stirn. In diesem Augenblick wünschte er sich das Gesicht für eine längere Zeit herbei, um es genau betrachten zu können. Möglicherweise kehrte dann die Erinnerung zurück, aber das fremde Gesicht folgte seinen Wünschen nicht. Er sah es nicht mehr wie eine Projektion vor sich. Es blieb im Dunkel verschwunden, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als es aus seiner Erinnerung hervorzukramen.
    Die blonden Haare, der weiche Mund, die Augen – ja, da war etwas. Er hatte es schon mal gesehen. Es war ihm nicht fremd gewesen. Aber es lag lange Zeit zurück, sehr lange. Vielleicht noch vor seinen Jahren, die er im Ausland verbracht hatte. Da war die Welt für ihn offen gewesen. Da hatte er sich an allen möglichen Orten auf dem Globus herumgetrieben.
    Er hatte viele Menschen gesehen. Er hatte mit ihnen gesprochen, und manche von ihnen hatten ihn in ihre Geheimnisse eingeweiht, in Geheimnisse, die er in einem irrsinnigen Rausch hinter sich gebracht hatte. Er war aus der Fremde nach London zurückgekehrt, und er wußte, daß er ein anderer Mensch geworden war.
    Vom Aussehen einmal abgesehen, denn jeder Mensch alterte, bei ihm kam es auf das Innere an. Er hatte wahnsinnig viel gelernt, in Theorie und Praxis, und das hatte ihn schon stark verändert.
    Es hatte beim Kopf begonnen und dann einen weiteren Weg gefunden, der sich in ihm festgesetzt hatte.
    Jetzt dachte er wieder an das Bild.
    Eine blonde Frau.
    »Ich kenne sie!« flüsterte er. »Ich habe sie gesehen. Aber es ist lange her. Ich spüre eine Verwandtschaft zwischen uns. Die Verbindung ist da, sie wird immer stärker, als wäre ich sie und sie ich. Es muß die Brücke geben.«
    Der Mann wollte und mußte sie finden, wenn er seine weiteren Jahre in London verbringen wollte. Es gab für ihn einfach keine andere Möglichkeit. Das Gesicht gehörte zu einer Frau, zu einer schönen Frau sicherlich, und er kam nicht daran vorbei, sie für sich zu gewinnen.
    Wenn er ihr gegenüberstand, würde er genau wissen, was er zu tun hatte. Er lächelte.
    Nur der Tod konnte seine Erinnerungen löschen, die anfingen, ihn zu quälen.
    Der Mann schüttelte den Kopf. Er wollte nicht in irgendwelchen Erinnerungen oder Überlegungen versacken.
    Er mußte sich den Problemen stellen, und seine Gedanken drehten sich wieder um das Blutbad, das er anrichten wollte.
    Er streichelte seine Machete. Für ihn war der Stahl so etwas wie der Körper einer Frau, der unter ihm lag, über den er eine gewisse Macht ausübte.
    Die Waffe gab ihm ebenfalls Macht. Er hatte die Macht über Leben und Tod. Er und kein anderer.
    Sein rundes Gesicht bekam einen harten und zugleich lauernden Ausdruck. Der Körper unter dem Mantel straffte sich. Scharf saugte der Mann durch die Nase die Luft ein. Sie war nicht rein, sie schmeckte nach Großstadt, nach Benzin, nach Menschen, nach Schweiß und Ausdünstungen.
    Aber sie war auch voller Leben, und das spürte er besonders in dieser dunklen Einfahrt, die er mit den folgenden drei Schritten hinter sich gelassen hatte.
    Das Leben hatte ihn wieder.
    Die Normalität des Abends hüllte ihn ein, oder war es schon Nacht?
    Es interessierte ihn nicht besonders. Man schrieb den Monat Mai, es war noch nicht sehr warm, was die Menschen nicht davon abhielt, ihre Häuser zu verlassen.
    In dieser Gegend vergnügte man sich. Nicht die unbedingt teuren Vergnügungen, sondern die, die sich auch die Billigtouristen vom Festland erlauben konnten. Ein kurzer Besuch in irgendwelchen schmuddeligen Bars oder Peepshow-Höhlen, eine preiswerte Mahlzeit in Fast-Food-Läden, Bier in den Pups und vielleicht eine der Nutten aufgabeln, die mehr oder weniger offen ihre Dienste anboten wie schon zu Zeiten des berüchtigten Jack the Ripper.
    Soho hatte sich trotzdem verändert. Es war der Stadtteil mit den zwei Gesichtern, und von der alten Verruchtheit war nur mehr ein Rest zurückgeblieben.
    Der Machetenmann blieb in dieser Gegend. Er war ein Einzelgänger und fiel beinahe deswegen schon auf, denn die anderen Menschen gingen in Gruppen oder Grüppchen über die Gehsteige, waren laut, lachten, grölten, wobei die Unterschiede zwischen Frauen und Männer verwischten. Der Mann ließ sich Zeit.
    Seine Hände hatte er in den Manteltaschen vergraben.
    Der Mantel war ebenso grau wie der ganze Mann. Menschen, die ihm
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