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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer
Autoren: Stephanie Parris
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Ihr versteht meine missliche Lage.« Er hielt mir noch immer beharrlich die Hand hin, und ich ergriff sie, woraufhin er mich mit einem flehenden Blick fixierte. Sophia hatte Glück gehabt, dachte ich, als wir uns ansahen, sie hatte das Aussehen ihrer Mutter geerbt. Oder vielleicht war es doch keine so glückliche Fügung; wäre sie weniger hübsch gewesen, wäre wahrscheinlich alles ganz anders gekommen.
    »Zu den vielen Dingen, die ich bereue, Doktor Bruno«, fuhr er fort, meine Hand noch immer umklammernd, »gehört, dass ich Euch ein besserer Gastgeber und Freund hätte sein können. Hätte ich von Euren Verbindungen gewusst … Aber ich habe mir vieles vorzuwerfen, wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt. Aber falls Ihr die Gelegenheit bekommt, dem Earl of Leicester zu versichern, dass ich immer nur versucht habe, ihm und der
Universität nach Kräften zu dienen – wäre das zu viel verlangt? Ich erwarte, in dieser Angelegenheit bald von ihm zu hören, und bin mir nicht sicher, wie er die Neuigkeiten aufnehmen wird.« Seine Augen weiteten sich vor Furcht, als er unbewusst an meinem Arm zerrte.
    »Ich würde Euch gern helfen, wenn ich könnte, aber ich fürchte, Ihr überschätzt meine Vertrautheit mit dem Earl, ich habe ihn nie persönlich kennen gelernt.« Als sich sein Gesicht vor Enttäuschung verdunkelte, fügte ich rasch hinzu: »Aber wenn ich mit Sir Philip über Euer Problem spreche, legt er bei seinem Onkel sicher ein gutes Wort für Euch ein.«
    Der Rektor nickte ernst und gab meine Hand frei.
    »Ich danke Euch. Das ist mehr, als ich verdiene. Ihr wart in der Debattierhalle ein würdiger Gegner, Doktor Bruno. Ich wünschte nur, wir hätten eine zweite Gelegenheit bekommen, uns in einer Diskussion miteinander zu messen.«
    Du hast ein kurzes Gedächtnis, dachte ich, lächelte aber höflich. Ich war dir in jeder Hinsicht überlegen, aber dir hat es Spaß gemacht, mich vor allen versammelten Universitätsangehörigen lächerlich zu machen. Doch die erlittene Demütigung zählte jetzt nicht mehr.
    »Ich muss Euch ebenfalls um einen Gefallen bitten«, sagte ich, als wir uns der Tür näherten. Underhill sah mich mit milder Überraschung an. »Ich habe erfahren, dass Cobbett seinen Dienst als Pförtner nicht mehr versieht.«
    »Das ist richtig«, bestätigte der Rektor. »Master Slythurst beschwerte sich massiv darüber, dass er bewusst die Anweisung missachtet hat, ihm wichtige Dokumente auszuhändigen, und es einem Dieb, der sonst wahrscheinlich festgenommen worden wäre, ermöglicht hat, vom Universitätsgelände zu entkommen.«
    Ich starrte ihn ungläubig an.
    »Aber Ihr wisst doch sicher, dass ich dieser Dieb war, Rektor? Und wenn Cobbett sich nicht über Slythursts Befehle hinweggesetzt und einen Boten zu Sir Philip Sidney geschickt hätte, dann wäre ich jetzt tot, und Eure Tochter ebenfalls.«

    »Das ist nicht von Belang«, beharrte der Rektor tonlos und tat so, als ob er sich auf einen losen Faden an seiner Robe konzentrieren würde. »Master Slythurst ist ein ranghoher Fellow dieser Universität, und als Universitätsdiener war es Cobbetts Pflicht, seine Befehle zu befolgen und nicht die eines Besuchers, der dabei ertappt wurde, wie er Gegenstände aus der Unterkunft eines Studenten entfernt hat. Für diese Pflichtverletzung wurde er bestraft.«
    »Nur weil diese Papiere in Sir Philips Hände gelangt sind, wurde Eure Tochter gerettet.« Ich dämpfte meine zornig erhobene Stimme. »Wären sie in Slythursts Hände geraten, wäre die Hilfe mit Sicherheit zu spät gekommen. Cobbett hat so gehandelt, wie es ihm sein Gewissen gebot, und dafür sollte er belohnt werden.«
    Underhill hörte auf, an seiner Robe herumzuzupfen, und maß mich mit einem schwer zu deutenden Blick.
    »Eurer Meinung nach«, erwiderte er, jedes Wort sorgsam betonend.
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Sein überlegtes Handeln hat Sophia davor bewahrt, ermordet zu werden«, wiederholte ich etwas langsamer für den Fall, dass er mich beim ersten Mal nicht verstanden hatte. »Und Euer Enkelkind ebenfalls«, fügte ich hinzu, als er immer noch nicht reagierte. »Meint Ihr nicht, das ist eine Belohnung wert?«
    Wieder gab er mir keine Antwort, sondern musterte mich weiterhin fast mitleidig.
    »Ist es Euch nicht in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht lieber den Mann belohnt hätte, der meiner Familie all dies hätte ersparen können?«, fragte er endlich leise.
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was er meinte, und dann konnte
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