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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe
Autoren: Hubert Mania
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Feuerball zur Qualmwolke geworden und durch eine dicke dunkelbraune Rauchsäule mit der Erde verbunden. McMillan vergleicht ihre Gestalt mit einem «Kelchglas». Luis Alvarez, verantwortlich für die Hochpräzisionszünder der Trinity-Bombe, schaut sich das Spektakel von oben an. Er kniet zu diesem Zeitpunkt in 8000 Metern Höhe im Cockpit eines B-29-Bombers zwischen Pilot und Copilot. Aus seiner Perspektive hat der Ball wieder eine halbrunde Form angenommen und ähnelt einem «vom Wind aufgeblasenen Fallschirm». Als Alvarez durch ein Loch in der Wolkendecke schauen kann, sieht er den mächtigen Stamm aus braunem Rauch und Staub, der seinen Fallschirm mit der Erde verbindet. Über den gesamten Schirm sind dunkle Linien ausgebreitet. Zuerst denkt Alvarez an «Längengrade, die vom Pol bis zum Äquator laufen». Aber sie ließen sich auch als Lamellen auf dem Schirm eines Pilzes deuten. Und so schreibt er: «Diese Gestalt kam einem riesigen Pilz schon sehr nahe» [www 13 ].
     
    George Kistiakowsky erlebt den Countdown in der Morgendämmerung auf dem Dach des Südbunkers. Der Chemieprofessor ist zwar überzeugt, dass seine Implosionslinsen funktionieren werden, aber einen erheblich größeren Rumms als bei der Explosion der hundert Tonnen TNT vom 7. Mai erwartet er nicht. Umso hingerissener erkennt er jetzt die Dimension des Erfolgs und will prompt das Licht von «hundert Sonnen» über der Wüste gesehen haben. So versunken ist er in seine Betrachtung der Pilzwolke, dass ihn die Luftdruckwelle 30 Sekunden nach dem Blitz voll erwischt und umwirft.
    Nur ein paar Meter entfernt steht Frank Oppenheimer neben seinem Bruder Robert. An die ersten Worte seines Bruders nach der Explosion erinnert sich Frank nicht mehr. Aber er glaubt, sie hätten sich gegenseitig mit Erleichterung versichert: «Es hat funktioniert» [Rho:682].
    Jetzt setzt auch das Donnern der Explosion ein: «Es prallte gegen die Felsen, und dann zog es fort – ich weiß nicht, wogegen es noch alles prallte. Aber es schien gar nicht aufzuhören … Es war ein sehr grauenerregender Moment …» [Rho:682].
    Nach einer Minute stummen Staunens führen einige Beobachter am Südbunker Freudentänze auf. Die Anspannung weicht der Erleichterung. Oppenheimer wird mit Glückwünschen überhäuft. Inzwischen hat sich Kistiakowsky wieder aufgerappelt, geht auf Robert Oppenheimer zu, schlägt ihm auf die Schulter und sagt: «Oppie, Sie schulden mir zehn Dollar» [Bad:60].
    Im Camp ist Enrico Fermi mit lauter Papierschnipseln in seiner Hosentasche und mit dem griffbereiten Rechenschieber auf die Druckwelle vorbereitet. Kenneth Greisen, der die Zündkapseln an der Bombe angebracht hat, sieht die gelb leuchtende Wolke in konzentrischen Kreisen über den Erdboden gleiten. Sie kommt langsam auf das Camp zu [www 14 ]. Aus knapp zwei Metern Höhe wirft Fermi nun vor, während und nach dem Durchgang der Detonationswellen seine Schnipsel in die Luft. Da in dieser Minute kein Wind weht, kann er aus der Distanz des von der Druckwelle mitgerissenen Papiers zu den vorher geworfenen Schnipseln auf die Sprengkraft der Bombe schließen [www 15 ]. Aber diese lässige Methode scheint verbesserungswürdig zu sein. Seinen geschätzten 10   000 stehen später exakter gemessene 18   600 Tonnen TNT gegenüber. Die Bombe war deutlich stärker, als die meisten Physiker erwartet hatten. Isidor Isaak Rabi gewinnt mit dem letzten abgegebenen Wettgebot von 18   000 den Jackpot.
     
    Der Atompilz steigt in acht Minuten auf 13 Kilometer Höhe, bis der Wind allmählich seine symmetrische Struktur verweht. Phil Morrison beobachtet die Auflösung des Pilzes in drei unterschiedliche Wolken. Die mittlere dreht in Richtung Norden ab und hält direkt auf den Bunker zu, in dem Brixners Kameras stehen. Der offizielle Trinity-Fotograf nimmt als Erster die neue Bedrohung wahr, die von der Entfesselung der Atomenergie ausgeht, nämlich radioaktiver Niederschlag: «Ich schaute nach oben und bemerkte einen rötlichen Schleier, und es sah so aus, als senkte er sich auf uns herab» [Clw]. Henry Barnett, Stabsarzt der Sanitätstruppe und verantwortlich für die Strahlungsüberwachung des Nordbunkers, registriert ein allmähliches Ansteigen der Werte auf seinem Messgerät und ordnet vorsichtshalber die sofortige Räumung des Bunkers an. Brixner lässt sich von Barnetts Nervosität nicht beeindrucken. Er springt erst auf den Jeep, als alle Kameras verstaut sind. An den anderen Beobachtungsstandorten wird kein
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