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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe
Autoren: Hubert Mania
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Alamos eine beispiellose Karriere hingelegt. Für das heutige Ereignis hat er gepanzerte Spezial- und Hochgeschwindigkeitskameras entwickelt, die in einer Sekunde 30 Meter Film belichten können. Als offizieller Fotograf und Kameramann des Trinity-Tests ist er Herr über 55 Filmkameras und Fotoapparate. Sie stehen hinter den runden Panzerglasfenstern des Nordbunkers. Hier oben, auf dem Bunkerdach, hat er seine Mitchell in Stellung gebracht, die große 35-Millimeter-Filmkamera, mit der auch die berühmten Regisseure in Hollywood arbeiten. Die Mitchell thront auf einem Maschinengewehrgestell. Sie soll – wie alle anderen Kameras auch – von Joe McKibbens Timer eingeschaltet werden. In gefährlicher Nähe zum Turm, so haben ihn die Physiker der Theoretischen Abteilung gewarnt, könne die radioaktiven Strahlung Schleier auf seinen Filmen hervorrufen oder sie ganz und gar schwärzen [Clw]. Deshalb hat Brixners Team die beiden unbemannten Stahlbetonbunker in knapp 800 Metern Entfernung zum Turm mit 30 Zentimeter starkem Bleiglas ausgestattet. Die dahinter aufgestellten Kameras bekommen ihre Signale ebenfalls von McKibbens Schaltuhr im Südbunker. Alle Apparate sind auf das Licht von zehn Sonnen eingestellt.
    Als einziger Beobachter hat Brixner die Erlaubnis erhalten, durch das Schweißerglas direkt in den Blitz zu schauen. 30 Sekunden vor null springt die Mitchell an. Brixner hat die Hand am Schwenkarm. Aber kurz darauf ist er vor Überraschung wie gelähmt: «Der ganze Filter leuchtete wie die Sonne, und ich war geblendet. Ich schaute zur Seite. Die Oscara-Berge strahlten wie der helle Tag. Völlig fasziniert sah ich diesen unglaublichen Feuerball aufsteigen … bis mir dämmerte: Du bist der Fotograf. Du musst das Ding festhalten» [Clw]. Brixner reißt den Schwenkarm der Mitchell nach oben und erwischt das Spektakel mit leichter Verzögerung noch in Technicolor. Die Schwarz-Weiß-Kameras hinter dem Bleiglas jedoch bannen jede Millisekunde auf Film.
    Der Blitz verwandelt sich direkt über dem Wüstenboden in eine leuchtend gelbe Halbkugel – «wie eine halb aufgegangene Sonne, nur etwa zweimal so groß» [Rho:681]. Bei einem Durchmesser von knapp 800 Metern hat sie ihre größte Ausdehnung erreicht und einen Krater hinterlassen. Schlangen, Erdhörnchen, Eidechsen, Frösche … alles Leben erlischt hier. Die Erde kocht, sodass rund um die Leuchterscheinung eine dunkle Korona aus pulverisierter Materie aufsteigt. Bedrohlich hebt sich die Halbkugel vom Boden ab und verwandelt sich in einen Feuerball. Einige hundert Tonnen Sand sind verdampft. Die Materie wird von der Kugel aufgesaugt, kräftig mit radioaktiven Teilchen durchmischt und dann in Klumpen eines nie zuvor gesehenen grünlichen und schwach strahlenden Glases wieder ausgespuckt.
     
    Emilio Segrè und sein Assistent Jack Aeby sollen die Strahlung der Kernspaltungsprodukte aufzeichnen. Die Zerstörung zweier Geräte nimmt Segrè in Kauf, als er sie 550 Meter vom Nullpunkt entfernt an einem Sperrballon aufhängt. Eine Millisekunde lang übermitteln sie Daten über eine doppelt abgeschirmte Leitung an die Schaltzentrale im Südbunker, bevor sie im Atomblitz verdampfen.
    Eine halbe Minute nach der Explosion ist der Feuerball noch immer zu hell, um seinen Aufstieg mit bloßem Auge verfolgen zu können, berichtet Edwin McMillan vom Compañia Hill [www 11 ]. Der Mitentdecker des Plutoniums schätzt die Ausdehnung des Balls in etwa 6000 Metern Höhe auf inzwischen eineinhalb Kilometer. Wegen der zunehmenden Rauchentwicklung verblasst die rötlichschwarze Glut zwar allmählich, doch dafür kommt ein «äußerst bemerkenswerter Effekt» ins Spiel: Die gesamte Oberfläche des Balls leuchtet etwa fünf Sekunden lang in blauen und violetten Tönen. Im Camp führt Victor Weisskopf die Erscheinung zurück auf die «Gammastrahlen, die von der Wolke an die Luft abgegeben werden». Der Kernspaltungsprozess hat schätzungsweise 360 radioaktive Atomsorten freigesetzt, die in der Wolke um ihre kurzfristige Existenz kämpfen. Weisskopf beziffert die Radioaktivität zu diesem Zeitpunkt auf «rund 1000 Milliarden Curie» [www 12 ]. Diese ungeheure Zerfallsaktivität muss die blaue Leuchterscheinung hervorgerufen haben. Ein Curie ist die Strahlung, die ein Gramm Radium abgibt. Im Morgengrauen dieses Sommertages schwirren radioaktive Spaltprodukte durch die Wüstenluft New Mexicos, die der Aktivität von einer Million Tonnen reinen Radiums entsprechen.
    Inzwischen ist der
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