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Kells Rache: Roman (German Edition)

Kells Rache: Roman (German Edition)

Titel: Kells Rache: Roman (German Edition)
Autoren: Andy Remic
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nickten.
    Plötzlich heulte irgendwo in der Nähe ein Wolf. Jage erstarrte, während die Furcht wie ein Insekt durch sein Gehirn kroch. Er riss die Augen auf und biss sich auf die Zunge, bis er Blut schmeckte. Wölfe. So weit südlich vom Schwarzspitz-Massiv? Es war nicht gänzlich unwahrscheinlich, obwohl die Bewohner von Crennan sämtliche Wölfe, die in der Gegend gesehen wurden, jagten und massakrierten. Diese Bergbewohner waren wahrhaftig eine wilde Spezies. Sie gaben sich niemals damit zufrieden, nur ein einzelnes Tier zu reißen. Ihre Mordlust war ebenso legendär wie ihr Hunger.
    Dem ersten Heulen, das lange anhielt und dann wie Rauch verklang, antwortete ein zweites, weiter im Osten, dann ein drittes im Westen. Jage lag erstarrt da, während seine Augen von rechts nach links zuckten. Seine Unbeweglichkeit an sich war die reinste Tortur, und die Qual seiner Hilflosigkeit überstieg in diesem Moment die rein physischen Schmerzen seines gebrochenen Rückgrats um ein Vielfaches.
    Wenn ihn die Wölfe fanden, würden sie ihn fressen, davon war er überzeugt.
    Und zwar bei lebendigem Leib!
    Jage wartete in der Dunkelheit, in der Stille, während der Schmerz in ihm immer stärker wurde. Sein verletztes Rückgrat folterte ihn mit glühend heißen Qualen, sein Herz hämmerte laut in seinen Ohren. Ich werde überleben, sagte er sich. Ich werde gerettet. Er wiederholte diesen Satz immer und immer wieder, wie ein Mantra, ein Gebet. Ein Teil von ihm, der kindliche Teil, wusste, er wusste es!, dass sein Vater, der tapfere, starke Parellion, mit seiner großen Holzaxt außerhalb seines Blickfeldes wartete, wenn die Gefahr wirklich da war. Er würde die Wölfe in zwei Teile hacken, denn das Dorf war nicht so weit entfernt, dass sie das Heulen nicht hören konnten. Nein? Die Dorfbewohner würden einen solchen Übergriff eines natürlichen Raubtieres niemals tolerieren! Ein anderer Teil von Jage, ein Teil, der schnell wuchs, eine beschleunigte Reife und der Instinkt zu überleben, sagten ihm, hämmerten ihm förmlich ein, dass er vollkommen allein war, von allen verlassen. Wenn er nichts tat, würde er ganz ohne jeden Zweifel sterben. Aber was soll ich tun?, fragte er sich. Er kämpfte gegen den Drang an, erneut zu weinen. Ich kann mich doch nicht bewegen!
    Er hätte am liebsten geschrien, seine Frustration und seinen Schmerz herausgestoßen, geheult, so wie die Wölfe; aber er biss sich auf die Zunge. Denn er wusste, dass er sie anziehen würde, wie Motten vom Kerzenlicht angezogen wurden, wenn er das tat.
    Jage wartete, angespannt und von erschöpfender Furcht gepeinigt; schließlich fiel er in einen unruhigen Schlaf. Als er langsam die Augen öffnete, wusste er sofort, dass irgendetwas nicht stimmte, obwohl seine Sinne keine direkte Bedrohung feststellen konnten.
    Dann zischelte es leise im Gras, und Jages Augen zuckten nach links. Im selben Moment trat ein Wolf in sein Blickfeld. Es war ein altes, großes und schweres Tier, dessen Fell auf einer Flanke in Fetzen herunterhing. Es war dunkelgrau und schwarz, verfilzt und zerzaust, seine Augen waren gelb und boshaft, und eine uralte Intelligenz funkelte darin. Diese Kreatur war nicht mit den heulenden Kötern im Dorf zu vergleichen; dieser Wolf war ein Mörder, ein Überlebenskünstler, der wusste, wann er frisches, hilfloses Fleisch vor der Schnauze hatte.
    » O nein!«, flüsterte Jage, dessen Blick wie gebannt auf das Tier gerichtet blieb. Jage verfolgte wie eine Schlange ihren Besch wörer, wie der Wolf langsam näher kam, dann nach links und nach rechts blickte, als erwartete er eine Falle, als würden im nächsten Moment Menschen mit Mistgabeln und Äxten auf ihn zustürmen. Andere Wölfe kamen in Jages Blickfeld. Sie wurden zuversichtlicher und bildeten einen weiten Halbkreis. Der Junge schüttelte sich unwillkürlich.
    Sie würden ihn fressen! Bei lebendigem Leib!! Und er konnte nichts dagegen tun!!!
    Das Tier knurrte, leise und bösartig, und der Blick der gelben Augen blieb starr auf Jage gerichtet. Es gab eine Verbindung zwischen den beiden, zwischen Opfer und Mörder, und Jage wusste nicht genau, was das bedeutete. Aber er fühlte sich wie ein gefesseltes Opfer auf einem Altar, und plötzlich wurde ihm schrecklich schlecht.
    Der Wolf senkte den Kopf, fletschte die Zähne, und sein Knurren dehnte sich zu einem ständigen, drohenden Grollen. Eine Tatze näherte sich ihm, und gleichzeitig spürte Jage ein Kribbeln auf seinen Beinen, die wie in einem unwillkürlichen
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