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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt
Autoren: Niels Peter Henning
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keiner davon richtete nennenswerten Schaden an. Nur einige
Schrammen und einige blaue Flecken. Nichts, wofür man ein Medipack verschwenden
musste. Grollen und Beben hielten noch eine Weile an. Irgendwo schienen ganze
Teile des Labyrinths einzustürzen. Doch so lange die Decke über ihm hielt,
interessierte ihn das herzlich wenig.
    Schließlich ließ das Grollen
nach, doch es verstummte nicht ganz. Die Zerstörung dauerte in anderen Teilen
des Kellers noch an. Dabei hoffte er, den Raum nicht vollständig vernichtet
vorzufinden, in dem er dem Entsorger hatte auflauern wollen. Dort lag noch
seine gesamte Ausrüstung. Außerdem wollte er dort noch etwas erledigen.
    Doch dazu musste er zunächst
einen Weg aus den Katakomben finden - und das würde nicht einfach werden. Und
um die Sache zu erschweren, hing nun auch noch Staub in der Luft und reduzierte
die Sichtweite auf wenige Schritte. Doch das war für ihn kein Anlass zu
verzweifeln. Im Gegenteil: Zum ersten Mal, seit er in dieser Welt aufgewacht
war, spielte Zeit für ihn keine Rolle mehr. Er sollte zwar überhaupt nicht hier
sein, doch nun war niemand mehr da, der ihn erwischen konnte.
    Für einen kurzen Moment
wischte die Idee durch seinen Kopf, ein neuer Entsorger könne auftauchen.
Vielleicht schlug gerade in diesem Augenblick irgendwo im Keller ein weiterer
Entsorger seine Augen auf und fragte sich, was er wohl hier tue.
    Doch im Grunde interessierte
ihn das nicht. Er musste sich nicht um einen Entsorger kümmern. Er musste nur
noch den Ausgang finden und auf dem Weg dorthin ein wenig für Ordnung sorgen.
    Und er hatte keine Angst.
    Also marschierte er los. Der
Weg durch die Katakomben gestaltete sich recht aufwändig, denn die Explosion
hatte mehr Schaden angerichtet, als er erwartet hatte. Nicht selten musste er
umkehren, weil der Weg vor ihm unter einer Schuttlawine begraben lag. Hier und
dort entdeckte er auch einige Knochenkauer. Zwei flüchteten Hals über Kopf, als
sie ihn durch den Staub herannahen sahen. Einer blieb einfach auf dem Boden
sitzen und wippte mit seinem Oberkörper vor und zurück. Dabei sang der
Kannibale ein Lied, dessen Worte er nicht verstehen konnte. Er beugte sich zu
dem Knochenkauer hinab und beendete sowohl das Lied als auch die Existenz des
Kannibalen mit einem raschen Fauststoß gegen den Kehlkopf des Mannes. Er konnte
es sich nicht erlauben, den Kerl am Leben zu lassen. Schließlich konnte sich
das hysterische Getue des Kannibalen durchaus als Falle herausstellen. Dann
hätte er dem Knochenkauer den Rücken zugewandt und zack! - schon hätte er ein
Ding aus dem Hinterhalt kassiert. Dieses Risiko wollte er nicht eingehen. 
Außerdem verschaffte es ihm eine gewisse Befriedigung, den Keller von einem
dieser Untermenschen zu reinigen.
    Auch bei den restlichen
Knochenkauern, die ihm begegneten, musste er kein Risiko eingehen, denn die
Kannibalen waren bereits tot - erschlagen von Steinen und halb begraben unter
Schutt. Bald würde es hier unten bestialisch stinken. Noch bestialischer, als
es ohnehin schon stank.
    Glücklicherweise würde er
dann nicht mehr in den Katakomben sein, denn er fand den Ausgang sehr viel
schneller, als er angenommen hatte. Tatsächlich hatte er die rasche Entdeckung
dem Entsorger zu verdanken. Hätte dieser nicht sich selbst und die Hälfte der
Kanalisation in die Luft gejagt, dann wäre eine Mauer in den Katakomben nicht
eingestürzt. Und dann hätte er die Treppe nicht entdeckt, die hinter dieser
Mauer verborgen war. In den Wänden entdeckte er die Überreste einer
Verriegelung. Vor der Explosion konnte die Mauer offenbar durch einen
versteckten Mechanismus geöffnet werden. Auf diese Weise hatte der Entsorger
also die Katakomben verlassen können.
    In diesem Zusammenhang
fragte er sich, ob es in diesem Labyrinth möglicherweise noch weitere solcher
Mechanismen gab. Doch er wusste, er würde sie nicht finden - nicht, wenn er
keine Hilfe von außen bekam. Er hoffte, diese Hilfe in dem Hörsaal zu finden:
Das Sichtgerät des Entsorgers.
    Zurück im Keller fiel es ihm
nicht schwer, den Weg zum Hörsaal zu finden. Er ließ sich einfach von seinem
Instinkt leiten - und damit fuhr er gut, denn schon bald betrat er den Raum
durch eine der Türen bei den oberen Sitzrängen. Diesen Eingang hatte auch der
Entsorger benutzt, als er ihn überrascht hatte.
    Weiter unten hatte die
Explosion ganze Arbeit geleistet. Die Bühne existierte nicht mehr. Sie war
gemeinsam mit einem großen Teil der unteren Sitzränge in die
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