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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt
Autoren: Niels Peter Henning
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Kanalisation
gestürzt. Unten plätscherte Wasser, oben hing Staub in der Luft.
    Doch weder die Bühne noch
die Kanalisation interessierten ihn sonderlich. Stattdessen suchte er die
oberen Sitzränge nach den Dingen ab, die er benötigte. Und er wurde fündig.
Zunächst sammelte er sein G-36C wieder ein. Dann packte er den Rucksack der
Kleinen und leerte ihn aus. Mit den Karten konnte er nichts anfangen, also warf
er sie weg. Einen kurzen Augenblick lang dachte er dabei an die Kleine, doch
dieser Augenblick verging beinahe sofort. Sie hatte es nicht geschafft - so
etwas nannte man eben Pech.
    Einige Sachen aus ihrem
Rucksack konnte er noch brauchen. Diese wanderten in seinen eigenen Rucksack,
den er anschließend auf seinen Rücken schwang.
    Und dann entdeckte er,
wonach er eigentlich gesucht hatte: Das Sichtgerät des Entsorgers.
    Da lag das Kästchen im Dreck
- genau dort, wo der Entsorger es hatte fallen lassen. Er musste es nur noch
aufheben und schauen, was auf dem Display zu lesen war. Dann würde er wissen,
was den Entsorger so sehr aus der Fassung gebracht hatte. Und nicht nur das: Er
würde auch endlich wissen, wer er war.
    Als er den Gedanken zu Ende
gedacht hatte, dachte er an die weiteren Möglichkeiten, die sich aus dem Fund
ergaben. Welchen Funktionsumfang mochte dieses Ding wohl haben? Vielleicht konnte
er sich mit diesem Ding hier drin orientieren. Vielleicht konnte es ihn zum
Ausgang führen. Vielleicht konnte er damit einige Todesfallen ausschalten oder
Leute außer Gefecht setzen, die ihm an den Kragen wollten. Gerade die letzte
Idee zauberte ein Grinsen auf sein Gesicht - das würde ein Riesenspaß werden!
    Doch zuvor musste er sehen,
was der Entsorger gesehen hatte. Er ging in die Hocke, hob das Sichtgerät auf
und hielt es mit dem Display nach unten. Nun musste er es nur noch umdrehen,
dann würde er erfahren, wer er wirklich war. Dann würde sich alles aufklären,
von einem Augenblick auf den anderen. Vielleicht würde sogar sein Gedächtnis
zurückkehren - oder er konnte es mithilfe des Sichtgerätes zurückholen.
    Der normale Kerl von der
Straße oder der Mann in Schwarz. Wer würde er sein? Wer wollte er sein? Er
musste es herausfinden, auch wenn er sich davor fürchtete, die Antwort könne
ihm nicht gefallen. Doch welche Antwort würde ihm nicht gefallen? Normal oder
Schwarz?
    Schluss damit! Er ertappte
sich selbst dabei, Zeit zu schinden. Er musste das Ding nur umdrehen und das
Display ablesen. Jetzt!
    Er drehte es um.
    „ Oh."
    Das Glas des Displays war
zersprungen und ein gezackter Riss lief quer über die Anzeige, wie ein
gefrorener Blitz. Er drückte probeweise auf den Auslöser, doch nichts geschah.
Das Display blieb dunkel.
    „ Scheiße. Kaputt. Na, dann
eben nicht."
    Er zuckte mit den Schultern
und warf das Kästchen über seine Schulter weg. Dann kontrollierte er seine
Waffe, rückte seinen Rucksack zurecht und machte sich wieder auf den Weg.

Identität
     
    Weiter. Und immer weiter.
    Inzwischen bestand kein
Grund mehr zur Eile. Es bestand jedoch auch kein Grund, stehenzubleiben.
    Während er nach dem Ausgang
suchte, lernte er mehr und mehr über den Keller. Er lernte die Aufteilung in
einzelne Abschnitte kennen. Um von einem Abschnitt zum nächsten zu gelangen,
mussten Todeszonen durchquert werden. Vor nicht allzu langer Zeit hatten ihm
diese Zonen eine Heidenangst eingejagt. Er erinnerte sich noch gerne an seine
Begegnung mit den Selbstschussanlagen in der Tiefgarage zurück. Heute lachte er
über diese harmlosen Mechanismen. Er hatte zwischenzeitlich ganz andere
Höllenmaschinen erlebt - und überlebt. Die Begegnungen mit diesen Dingern
hatten ihn sein linkes Ohr und den kleinen Finger seiner rechten Hand gekostet.
Glücklicherweise behinderten ihn diese Wehwehchen nicht beim Kämpfen oder beim
Schießen.
    In einigen Abschnitten
lebten Menschen. Er traf sogar auf eine Art Siedlung, allerdings bei Weitem
nicht so gut organisiert wie die Siedlung, die der Liliputaner auf die Beine
gestellt hatte. Die Siedler hatten ihn bekniet, bei ihnen zu bleiben. Er hätte
dort ein gemütliches Leben führen können und es hätte ihm an nichts gefehlt,
doch er hatte abgelehnt. Einerseits hatte er noch einen Auftrag zu erfüllen,
andererseits hätte er die Gesellschaft dieser Kühe nicht lange ertragen. Früher
oder später hätte ihn der Frust gepackt und er hätte den Hammer kreisen lassen.
Das wollte er sowohl sich selbst als auch den Siedlern ersparen. Auch wenn
diese Leute es nicht
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