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Kellerwelt

Kellerwelt

Titel: Kellerwelt
Autoren: Niels Peter Henning
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zitterten. Er würde eher ein Loch in die Decke
schießen, anstatt einen Menschen zu treffen, der sich auf der Bühne bewegte. Besser,
er nahm die Beine unter die Arme und suchte sein Heil in der Flucht, bevor er
hier drin erwischt wurde.
    Nein!
    Er würde das aushalten. Er
würde das schaffen. Er würde diese Sache beenden, jetzt und hier.
    Platsch!
    Da landete etwas neben ihm.
Er erschrak nicht einmal. Offenbar war er emotional bereits zu sehr
ausgebrannt, um sich noch von irgendetwas schocken zu lassen. Der Druck setzte
ihm einfach zu sehr zu. Also schielte er einfach zur Seite, um zu sehen, was da
aufgeschlagen war.
    Es handelte sich um einen
Rucksack.
    Erst auf den zweiten Blick
erkannte er den Rucksack der Kleinen. Und er ahnte, er würde nicht die Kleine
sehen, wenn er sich vollends umdrehte. Die Mündung der Waffe, die hinter sein
rechtes Ohr gepresst wurde, untermauerte diese Annahme.
    Das war es also. Möglichkeit
Nummer fünf. Und er hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, einen schnellen
Schuss anzubringen.
    Gleich würde der Entsorger
schießen. Dann würde alles für ihn enden. In diesem Augenblick fragte er sich
mit absoluter Klarheit, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn die Kugel in
seinen Kopf eindrang. Würde er einen Schmerz fühlen? Würde er den Knall hören?
Wie würde es sich anfühlen, tot zu sein?
    Und weswegen, zum
Donnerwetter, schoss der Entsorger nicht? Weswegen bereitete dieser Mistkerl
seinem Leiden nicht einfach ein Ende? Er hielt das nicht mehr lange aus.
    „ Also, da habe ich aber
wirklich Glück gehabt", sagte eine Stimme hinter ihm. Er konnte den Spott
in dieser Stimme beinahe greifen. „Hätte ich diese kleine Göre draußen nicht
erwischt, dann wäre ich glatt in deine Falle getappt. Du hättest dieser
Schlampe besser nicht erzählen sollen, was du vorhast. Aber du hättest sowieso
nichts ausrichten können. So wie du zitterst, würdest du aus drei Schritten
Entfernung selbst ein Scheunentor verfehlen."
    An dieser Stelle hätte er
sich eigentlich ärgern müssen, doch die Angst fraß alle Gefühle in ihm auf.
Deswegen konnte er einfach nur weiter auf dem Boden hocken und zittern. Er
brachte noch nicht einmal Gegenwehr zustande, als der Entsorger über ihn hinweg
griff und ihm das Gewehr aus der Hand nahm.
    „ Eine schöne Kanone. Viel
besser als das Ding, mit dem mich das Management losgeschickt hatte. Sehr
schön. Sobald ich mit dir fertig bin, werde ich auf dem Rückweg zu meinem
Refugium damit noch ein wenig Ordnung in diese Welt bringen. Das ist dringend
notwendig. Vielleicht werde ich auch einige Nachforschungen anstellen, wo ich
die Hauptverwaltung finde. Mit den Damen und Herren dort habe ich noch das eine
oder andere Wort zu wechseln."
    Himmel, nun wollte dieser
Spinner auch noch plaudern! Konnte er sich das nicht einfach schenken? Er
überlegte gerade, ob er den Schuss vielleicht selbst provozieren sollte, indem
er eine ruckartige Bewegung vollführte. Auf diese Weise hätte er dem Entsorger
wenigstens die Genugtuung genommen, ihn vor dem Tode noch zu quälen. Doch in
diesem Augenblick meldete sich ein Gedanke in seinem Hinterkopf. Der Gedanke
sagte: „Je länger dieser Kerl schwafelt, desto mehr Zeit hast du, um
Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Also nutze die Gelegenheit und denk nach!"
    Doch worüber sollte er
nachdenken? Dieser Verrückte presste gerade die Mündung einer Waffe hinter sein
rechtes Ohr. Was, bitteschön, sollte er tun? Selbst wenn sich eine Gelegenheit
bieten würde, könnte er gegen diesen Burschen nichts unternehmen. Schließlich
war er nur ein einfacher Kerl von der Straße - und er hatte es mit einem
ausgebildeten Killer zu tun!
    „ Schwachsinn",
flüsterte die Stimme in seinem Hinterkopf. „Dieser Entsorger ist nur eine arme
Sau, die sich einbildet, sie sei ein knallharter Killer. Und du bist alles
andere als ein einfacher Kerl von der Straße. Denk daran, was der Zwerg dir
erzählt hat. Du weißt genau, welche Gedanken in dir stecken. Du warst schon auf
dem richtigen Weg und dachtest beinahe wie ein Mann in Schwarz. Mach was
draus!"
    Der Entsorger schwadronierte
unterdessen weiter. Er hörte dem Killer kaum zu, so sehr beschäftigten ihn
seine eigenen Gedanken. Doch dann sagte der Entsorger etwas, das ihn aufhorchen
ließ: „Inzwischen frage ich mich, was ich hier eigentlich tue. Anfangs war ich
überzeugt von meiner Aufgabe. Ich war überzeugt von der Allmacht des
Managements. Doch nun bin ich mir nicht mehr sicher. Alles ist völlig
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