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Keiner wie er (German Edition)

Keiner wie er (German Edition)

Titel: Keiner wie er (German Edition)
Autoren: Kera Jung
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immer durchquerte sie die weiträumige Halle und winkte auf der belebten Straße nach einem Taxi.
    „Ins Commonwealth!“
    Im Wagen nahm sie ihren Clip vom Ohr und lächelte wenig später ins Handy. „Mom, du sollst mich doch nicht während des Tages anrufen ...“
    Mit geschlossenen Augen massierte sie sich geistesabwesend die Stirn. Obwohl anstrengend, bemerkte sie froh, dass Vera wieder nervig dauerquasseln konnte.
    Lange Zeit war das nämlich nicht der Fall gewesen.

4.
     
    Zehn Jahre zuvor …
     
    Tina nahm nicht den Zug, die Fahrt hätte zu viel Zeit in Anspruch genommen.
    Stattdessen bestieg sie das nächste Flugzeug. Zum damaligen Zeitpunkt ahnte sie es nicht, aber in nicht allzu ferner Zukunft würden diese riesigen, dickbäuchigen Maschinen ihr zu Hause sein.
    Von Walbury nahm sie ein Taxi.
    Nachdem der Fahrer ein halbes Vermögen kassiert hatte, schloss sie die schluchzende Vera in die Arme. Tina weinte nicht um ihren plötzlich verstorbenen Vater. Herzinfarkt nannten es die Ärzte – sinnlos nannte sie es. Und keineswegs wurde eine Träne wegen des anderen vergossen.
    Manchmal geschahen nun einmal Dinge, die man nicht ändern konnte. Zwei Alternativen blieben: Entweder man ergab sich seinem Kummer oder blickte nach vorn und ließ alles Hemmende hinter sich.
    Die erste Option stand nicht zur Verfügung. Denn urplötzlich war sie Halbwaise und verantwortlich für eine am Boden zerstörte Mutter.
    Und so schluckte Tina alles hinunter, was in ihr dringend um Auswertung bettelte, würgte akut daran und schluckte noch einmal. Als dies ein drittes Mal vollbracht war, der Prozess dauerte ungefähr drei Tage, lag alles so tief verschüttet, dass es beinahe vergessen schien. Allerdings wurden einige Dinge gleich mit in die Verbannung entsandt.
    Ein Kichern zum Beispiel. Das gehörte nicht mehr in ihr Leben. Ein befreites Lachen auch nicht. Tränen? Nicht verfügbar. Hoffnungen, Wünsche, Träume? Angewohnheiten schwacher Menschen, die niemals im Leben erfolgreich sein würden.
    Tina weilte ausschließlich in der Realität. Doch eines schwor sie sich bei ihrem Leben:
    Niemals wieder würde ein Mann in ihr Dasein eingreifen und ihre Gefühle durcheinanderbringen, bis klares Denken unmöglich wurde. Denn hätte sie das nicht zugelassen, wäre sie zum Zeitpunkt von George Hunts Tod in Gilman gewesen. Die Semesterferien hatten bereits zwei Tagen zuvor begonnen. Es gab nur einen einzigen Grund, aus dem Tina nicht sofort fuhr und sich somit die Chance nahm, ihren Vater noch einmal lebend zu sehen.
    Und diese Ursache war den Preis nicht annähernd wert!
    * * *
    Finanziell ging es den beiden Frauen gut.
    Am Ende erwies sich Mr. Hunts ewiger Geiz als überaus weitsichtig. Seit Jahren musste er jeden Cent zur Seite gelegt haben. Neben der Witwenrente, die seine Gattin ab sofort bezog, stellte ein beachtliches Sümmchen ihren ruhigen Lebensabend sicher. Wäre sie bereits in jenem Alter gewesen, in dem man an so etwas denkt. Keineswegs traf dies zu, aber Mrs. Hunt schien entschlossen, die restlichen dreißig Jahre, die ihr das Schicksal vielleicht noch vergönnte, in einer Art anhaltendem Abend zu verbringen. Tina sah keine andere Möglichkeit, als bei ihrer Mom zu bleiben.
    Nie kehrte sie nach Ithaka zurück und schlug selbst in späteren Jahren Aufträge in dieser Stadt immer aus. Carmen half ihr, die Zelte abzubrechen, ohne dass Tinas Anwesenheit erforderlich wurde. Nach Gründen fragte sie nicht, wofür Tina unendlich dankbar war, wenngleich sie ihre Freundin wohl nie wiedersehen würde. Doch diese Phase ihres Lebens lag hinter ihr. Der Kontakt hätte nur abgelenkt, und so etwas galt es unter allen Umständen zu vermeiden.
    Einen Mieter für das Appartement zu finden, erwies sich als Kinderspiel. Viele der neuen Erstsemester suchten in der gnadenlos überfüllten und überteuerten Stadt nach einer bezahlbaren Bleibe. Tina bat Carmen, alles Zurückgelassene zu verschenken, vernichten, aus der Welt zu schaffen oder möglicherweise auch selbst zu behalten. Nichts davon wollte sie jemals wiedersehen.
    Anständig brachte sie ihren Vater unter die Erde, stützte die weinende Vera, wo es ging und immatrikulierte an der Universität New Londons. Glücklich ergatterte sie sogar einen Platz in ihrem bevorzugten Hauptfach, erwarb ein billiges Auto, nahm ihren Job im Eiscafé wieder auf und stürzte sich in ihr Studium.
    New London war nicht Cornell.
    Wer erfolgreich sein wollte, musste den schlechteren Ruf des staatlichen
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