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Keiner wie er (German Edition)

Keiner wie er (German Edition)

Titel: Keiner wie er (German Edition)
Autoren: Kera Jung
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nervend es geworden wäre. Grausam allein die Vorstellung, jeden Abend dieser Sex!
    Irgendwann rief er sich energisch zur Ordnung. Ein derartiges Verhalten entsprach nicht dem Deal! Diese Geschichte gehörte der Vergangenheit an, seine Entscheidung stand fest, obwohl ihm eigentlich keine echte Wahl blieb.
    Schluss! Ende! Weitermachen! Und kein Blick zurück, kapiert?
    Yeah!
    Und als er in die Tiefgarage des Verwaltungsgebäudes der Ärzte ohne Grenzen fuhr, war sie aus seinem Kopf verschwunden.
    Endgültig!
    * * *
    … nein, damit belog er sich selbst.
    Dahinter kam Daniel allerdings erst viel, viel später, als er Afrika längst wieder den Rücken gekehrt hatte. Doch ab diesem verdammten Morgen war nichts, wie früher und er nicht mehr der gleiche Mann. Später sollte er resümieren, dass damals eventuell ein paar Faktoren zu viel aufeinandertrafen:
    Jane, Tina, Afrika ... Selbst für ihn zu massiv, um nach einem verwirrten Blinzeln zur Tagesordnung überzugehen.
    Dieses eine Jahr …
    * * *
    In vielfacher Hinsicht erwies es sich als sehr lehrreich.
    Zum einen erfuhr man Demut, wenn man eine Zeitlang dem Elend beiwohnte und einem die Patienten unter den Händen wegstarben. Man lernte, Wasser schätzen, als sei es Gold, freute sich über ein intaktes Moskitonetz, wie ein kleines Kind an Weihnachten. Man gewöhnte sich an, heimlich hinter einem Busch zu heulen und den Anblick von Blut und den Gestank von vor sich hinfaulenden Fleisches zu ertragen, auch von jeder Menge Erbrochenem. Irgendwann konnte man die grausamsten Wunden und Verletzungen ansehen, ohne zu dem schier unerschöpflichen Vorrat an Mageninhalt selbst beizutragen.
    Nach etlichen gescheiterten Versuchen jedenfalls.
    Man lernte, den Tod als ständigen Begleiter zu akzeptieren. Kein ungebetener Gast, der sich hin und wieder blicken ließ, wenn man einmal doch nicht helfen konnte. Vielmehr ein begeisterter Mitbewohner, der nie lange auf sich warten ließ.
    Übrigens kam man auch dahinter, dass man nichts wusste und nichts darstellte. Egal, was man vorher geglaubt hatte. Oh, man eignete sich auch verdammt schnell die Fähigkeit an, mit einer Schnellfeuerwaffe umzugehen. Perfektionierte sein Französisch, um sich zu verständigen, wenn irgendwelche durchgeknallten Rebellen einen kidnappen und/oder töten wollten. Man lernte, mit der unerträglichen Hitze zurechtzukommen und auch, wie gut es einem immer ergangen und wie unbedeutend die sogenannten Probleme waren, mit denen man sich angeblich herumschlug. Man erlebte grauenhaftes Heimweh und entsetzliche Sehnsucht.
    Hatte man beides überwunden, war man Profi im Vergessen und wohl endlich ein Mann.
    * * *
    Um zum Mann zu werden und fast zu vergessen, benötigte Daniel ein halbes Jahr.
    Anfänglich gab es Frauen. Auch Afrika beherbergte genügend hübsche, bereitwillige Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts. In vielerlei Hinsicht konnte man die sogar leichter händeln, stellten sie sich doch nicht halb so kompliziert und vor allem fordernd an, wie Amerikanerinnen.
    Schnell kam Daniel jedoch dahinter, dass es ihm nicht viel gab, mit ihnen zusammen zu sein. Später brachte er auch nicht mehr die erforderliche Geduld und Muße auf, um sich auf jene Mädchen zu konzentrieren. Hirnloser Sex wollte nicht funktionieren, wenn man kurz zuvor bei dem Versuch versagte, einen Leprakranken im Endstadium wenigstens die Schmerzen zu nehmen.
    Als Daniel ein Jahr später nach Ithaka zurückkehrte, war er tatsächlich ein anderer.
    Sein erster Weg führte ihn zu seinen Eltern und nicht zu jenem Appartement in der Stadt. Auch wenn dem sein erster Gedanke galt.
    Jonathan Grant wusste nicht, ob ihm gefiel, was er sah. Dessen Gattin erging es ähnlich. Jener verhärmte, ernste junge Mann mit Vollbart erinnerte nur noch schemenhaft an den ausgelassenen, unbekümmerten Daniel, der vor einem Jahr fortging.
    Irgendwann, als alles erzählt war, jedenfalls das, was der Sohn seinen Eltern offenbaren wollte, kehrte beängstigende Stille ein. Schließlich seufzte der Senior.
    „Sie ging noch am selben Tag. Ich weiß nicht viel, nur dass sie das Studium abbrach und verschwand.“
    Überraschend kam es nicht, auch wenn es schwerfiel, es zu akzeptieren. Vielleicht – ganz bestimmt sogar – hatte er gehofft. Dumm, ja. Möglicherweise die letzte Naivität, die er sich noch bewahren konnte und die ihm während der vielen einsamen Stunden auf jenem fernen, so alienhaften Kontinent beim Durchhalten half.
    Nichts weiter als das.
    Er war
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