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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance
Autoren: H Coben
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als Kronzeuge gegen mich aufzutreten. Er wollte behaupten, dass ich auf Monica und dich geschossen und ihm dann Tara gebracht hätte. Wie schon gesagt, die Cops hassen mich. Ich habe zu viele Verbrecher frei gekriegt. Auf den Deal hätten sie sich sofort eingelassen.«
    »Du wärst ins Gefängnis gekommen?«
    Lenny war den Tränen nahe.
    »Deine Kinder hätten gelitten?«
    Er nickte.
    »Also hast du einen Menschen kaltblütig umgebracht.«
    »Was hätte ich denn sonst tun sollen? Du guckst mich so komisch an, aber tief im Inneren kennst du die Wahrheit. Das war dein Schlamassel. Ich musste für dich aufräumen. Weil ich dein Freund bin. Ich wollte deinem Kind helfen.« Er brach ab, schloss
die Augen und fügte hinzu: »Und mir war klar, dass ich vielleicht auch dich retten kann, wenn ich Bacard umbringe.«
    »Mich?«
    »Wieder eine Kosten-Nutzen-Analyse, Marc.«
    »Wie meinst du das?«
    »Es war vorbei. Als Bacard tot war, konnte man ihm die Schuld in die Schuhe schieben. An allem. Ich war raus aus dem Ganzen.« Lenny kam näher und blieb vor mir stehen. Erst dachte ich, er wolle mich umarmen. Doch er blieb einfach dort stehen.
    »Ich wollte, dass du Frieden findest, Marc. Aber das hätte nie funktioniert. Das weiß ich inzwischen. Nicht, bevor ich deine Tochter gefunden hatte. Durch Bacards Tod war meine Familie in Sicherheit. Ich konnte zulassen, dass du die Wahrheit erfährst.«
    »Also hast du diese anonyme Nachricht geschrieben und sie auf Eleanors Schreibtisch gelegt.«
    »Ja.«
    Ich nickte, und Abes Worte kamen mir wieder in den Sinn. »Du hast etwas Falsches aus dem richtigen Grund getan.«
    »Versetz dich in meine Lage. Was hättest du gemacht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    »Ich hab es für dich getan.«
    Und das Traurigste daran war, dass er die Wahrheit sagte. Ich sah ihn an.
    »Du bist der beste Freund, den ich je hatte, Lenny. Ich liebe dich. Ich liebe deine Frau. Ich liebe deine Kinder.«
    »Was wirst du tun?«
    »Wenn ich jetzt sage, dass ich zur Polizei gehe, bringst du mich dann auch um?«
    »Niemals«, sagte er.
    Aber sosehr ich ihn auch liebte, sosehr er mich liebte, war ich doch nicht ganz sicher, ob ich ihm Glauben schenken durfte.

Epilog
    Ein Jahr ist vergangen.
    In den ersten beiden Monaten habe ich die Vielfliegermeilen nur so gescheffelt, weil ich jede Woche nach St. Louis geflogen bin, um mit Abe und Lorraine zu beratschlagen, was wir tun sollten. Wir haben langsam angefangen. Bei den ersten Besuchen habe ich sie gebeten, mit im Zimmer zu bleiben. Nach einer Weile fingen Tara und ich an, alleine wegzugehen – in den Park, den Zoo, zum Karussell im Einkaufszentrum –, aber sie hat noch oft über die Schulter geschaut. Meine Tochter brauchte Zeit, um sich an mich zu gewöhnen. Ich verstand das.
    Mein Vater ist vor zehn Monaten sanft eingeschlafen. Nach seinem Begräbnis habe ich ein Haus an der Marsh Lane gekauft, zwei Grundstücke von Abe und Lorraine entfernt, und bin ganz hergezogen. Abe und Lorraine sind bemerkenswerte Menschen. Wir nennen unsere Tochter Tasha. Überlegen Sie mal. Es ist die Kurzform von Natasha und nah an Tara. Dem Rekonstruktionschirurgen in mir gefällt das. Ich rechne die ganze Zeit damit, dass etwas schief geht. Bisher hat alles geklappt. Das ist seltsam, aber ich mache mir nicht allzu viele Gedanken darüber.
    Meine Mutter hat sich in der Nähe eine Wohnung gekauft und ist auch hergezogen. Seit Dads Tod hat sie keinen Grund mehr, in Kasselton zu bleiben. Nach all den Tragödien – der Krankheit meines Vaters, Stacy, Monica, dem Überfall, der Entführung – hatte auch sie einen Neuanfang gebraucht. Ich bin froh, dass sie bei uns ist. Mom hat einen neuen Freund. Er heißt
Cy. Sie ist glücklich. Ich mag ihn – nicht nur deshalb, weil er eine Jahreskarte für die Rams hat. Die beiden lachen viel miteinander. Ich hatte fast vergessen, wie herzlich meine Mutter lachen kann.
    Ich telefoniere oft mit Verne. Im Frühling waren er, Katarina, Verne junior und Perry in einem Wohnmobil zu Besuch. Es war eine wundervolle Woche. Verne hat mich zum Angeln mitgenommen. Mein erstes Mal. Es hat mir Spaß gemacht. Beim nächsten Mal will er mit mir jagen gehen. Ich habe mich heftig gesträubt, aber Verne kann ziemlich hartnäckig sein.
    Zu Edgar Portman habe ich nicht viel Kontakt. An Tashas Geburtstagen schickt er Geschenke. Er hat zweimal angerufen. Ich hoffe, er kommt bald einmal vorbei und schaut sich seine Enkelin an. Doch wir schleppen beide zu viele
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