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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade
Autoren: Daniel Annechino
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Nach allem, was Sie mir erzählt haben, befand sich Al in einer schrecklichen Lage dort an der Seite seiner Schwester, er wusste nicht, ob sie leben oder sterben würde. Er hatte niemanden, der ihm helfen oder ihn trösten konnte. Ich glaube, dass Ihre Stimme und Ihre Unterstützung am Telefon nicht gereicht haben. Es ging nicht um Sex, Sami. Al hat Sie nicht betrogen, er brauchte ganz einfach einen sicheren Hafen.«
    Â»Ich habe allmählich genug davon, dass mir jeder erzählt, dass es nicht um Sex ging.«
    Â»Nun, Sami, vielleicht hören Sie das nicht gern, aber in den meisten Fällen von Untreue geht es nicht um Sex.«
    Â»Und wenn er es nun wieder tut?«
    Â»Dann werden Sie eine andere Entscheidung treffen müssen. Das Leben hält eine ganze Reihe von Kreuzungen für uns bereit, einige sind wichtig, andere weniger. An jedem einzelnen Tag unseres Lebens kommen wir an solche Punkte und müssen entscheiden, wo es langgeht. Wenn Sie nach der perfekten Liebe suchen oder dem vorbildlichen Mann, dann machen Sie sich schon mal darauf gefasst, dass es nicht leicht wird.«
    Sami dachte über ihre Worte nach, doch so zutreffend sie auch waren, sie wusste immer noch nicht, was sie tun sollte. Da gab es noch etwas, etwas Monumentales, das sie bei ihrem Gespräch mit Doktor J außer Acht gelassen hatte. Vielleicht sollte sie sich einfach mit Al zusammensetzen und ihm ihr Herz ausschütten.

    Nachdem Sami Doktor J verlassen hatte, fuhr sie nach Hause, drehte auf der Genesee Avenue aber ganz spontan um. Doktor Templeton hatte Sami gestern angerufen und ihr gesagt, dass McKenzie zu Bewusstsein gekommen war und besser auf die Operation ansprach, als sie alle erwartet hatten. Da Sami sie noch nicht kennengelernt hatte, wollte sie sie im Krankenhaus besuchen und sich vorstellen. Sie wollte diese tapfere junge Frau persönlich kennenlernen.
    Als sie in die Parkgarage fuhr, überkam sie ein sonder­bares Gefühl. Hier war alles passiert. Das Saint Michael’s Hospital würde nie wieder so sein wie früher.
    Sie lief zum Eingang und nahm einen Aufzug in den sechsten Stock. Sie hatte von Doktor Templeton gehört, dass McKenzie mindestens noch zwei Wochen auf der Intensivstation blieb. Sie wusste nicht, ob sie noch im selben Zimmer war, und ging deshalb erst zur Schwesternstation.
    Wie das Glück es wollte, hatte Schwester Oliver Dienst. Die Schwester blickte vom Krankenblatt hoch, mit dem sie beschäftigt war, stand auf und lächelte.
    Â»Detective Rizzo, wie schön, Sie zu sehen.«
    Sie wollte die Schwester erst korrigieren, denn schließlich war sie jetzt Sergeant. Doch hatte ihr Titel für irgendjemanden außer sie selbst auch eine Bedeutung?
    Â»Hallöchen. Wie halten Sie sich?«
    Â»Bin noch ein bisschen wackelig, Detective. Kommt ja auch nicht jeden Tag vor, dass man bei CSI mitmacht. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, und alle sind schockiert, dass Doktor Youngblood der Reanimator war. Es ist aber auch wirklich beunruhigend, dass ein so angesehener Arzt ein kaltblütiger Mörder sein konnte. Ich nehme mal an, man kann nie wissen, wo das Böse lauert.«
    Â»Manchmal haben die unwahrscheinlichsten Menschen die dunkelsten Seelen.«
    Schwester Oliver nickte. »Was führt Sie zu uns, Detective?«
    Â»Ich würde gern McKenzie O’Neill besuchen. Können Sie mir sagen, wo sie liegt?«
    Â»Aber sicher.« Schwester Oliver sah in ihrem Computer nach. »Sie liegt privat – Zimmer 645.« Sie zeigte den Gang hinunter. »Hier entlang und dann rechts.«
    Â»Ich danke Ihnen«, sagte Sami.
    Â»Einen angenehmen Besuch, Detective.«
    Als Sami ins Krankenzimmer ging, schien McKenzie tief zu schlafen. Sie ging auf Zehenspitzen um das Bett und setzte sich auf einen Stuhl. Der Körper der jungen Frau sah aus wie aus einem Horrorfilm, an jeder nur erdenklichen Stelle war ein Schlauch oder Kabel befestigt. Sie erkannte einen Herzmonitor, einen Sauerstoffsensor und andere Geräte, deren Funktionen ihr unbekannt waren. Sami konnte es zischen und saugen und pumpen hören. Sie nahm an, dass McKenzie sediert war, denn niemand hätte bei solchem Lärm schlafen können.
    Ständig sahen Schwestern herein, überprüften ihre Lebenszeichen, kontrollierten die Infusionen und machten auf dem Krankenblatt Notizen. Die Schwestern waren alle sehr herzlich, sagten aber kaum mehr als hallo.
    Nachdem sie mehr als
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