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Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa

Titel: Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Autoren: Dora Heldt
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Karte.
    »Du fährst doch das Auto zur Pension, oder? Dann nehme ich ein Bier.«
    Ich schüttelte in Großer-Schwester-Manier den Kopf. »Es ist vier Uhr nachmittags. Ist das nicht ein bisschen zu früh, um Alkohol
     zu trinken?«
    »Ferien. Blauer Himmel. Nordsee. Norderney.« Ines hob die Augenbrauen. »Alles Gründe für ein frühes Bier. Du wirst immer spießiger.
     Bestell dir mal einen Sekt, dann geht auch deine Zornesfalte weg.«
    »Und wer fährt das Auto?«
    »Christine.« Ines stöhnte und sah aufs Wasser. »Wenn du so weitermachst, sage ich bald ›Mama‹ zu dir. Sei locker!«
    Eigentlich war es mir völlig egal, wann und wie viel Bier meine Schwester trank. Aber das musste ich ihr ja nicht sagen. Während
     wir auf unsere Getränke warteten, zog Ines einen Kugelschreiber und einen Block aus ihrer Tasche. Sie legte ihn vor sich hin,
     drehte am Stift und sah mich auffordernd an.
    »Lass uns mal eine Liste machen, wie und mit wem wir die Sache organisieren.«
    Verblüfft starrte ich sie an. »Ich denke, du findest Listen albern?«
    »Habe ich das mal gesagt?« Achselzuckend wandte sie sich dem Block zu. »Ich mache oft Listen, das hilft beim Denken.«
    Zweifelsohne hatten wir dieselben Gene. Sie teilte das Blattin vier Spalten auf: Zimmer   – Rezeption – Küche   – Kneipe. Mit der Kante der laminierten Speisekarte zog sie gerade Linien.
    »Also, nun denk mal mit. Wer macht wann was?«
    Alarmiert las ich eines der Worte und erkannte schlagartig unser größtes Problem. Ines deutete meinen Gesichtsausdruck falsch.
    »Wir müssen doch nur gucken, was Marleen sonst immer macht. Wahrscheinlich die Rezeption, oder? Das ist für mich kein Problem,
     ich bin Pflegedienstleitung, ob ich nun Dienstpläne schreibe oder Zimmerbelegungen, das dürfte nicht die Welt sein. Gibt es
     für die Kneipe nicht sowieso festes Personal?«
    Ich starrte immer noch auf das eine Wort, antwortete aber automatisch, wenn auch unkonzentriert.
    »Die Kneipe ist eine Bar. Marleen ist nur ab und zu da. Es gibt einen Geschäftsführer. Seinen Namen habe ich vergessen.«
    Ines hob kurz den Kopf und starrte mich an. »Das fällt dir hoffentlich noch ein. Weiter im Text. Die Zimmer macht Gesa, stimmt
     das?«
    »In den Ferien. Sonst Adelheid.«
    »Adelheid? Ich denke, die kocht.«
    Jetzt schien meine Schwester auch etwas zu ahnen. Ihr Blick wurde unsicher. Ich musste mich räuspern.
    »Nein, Ines, die kocht nicht, die putzt, macht Betten, kümmert sich um allen möglichen Kram, aber die Küche macht sie nicht.
     Die Küche ist Marleens Einsatzgebiet.«
    »Marleen kocht?« Ines ließ den Kugelschreiber langsam sinken. »Jeden Tag?«
    Wir sahen uns lange an. Meine Schwester und ich haben viele Talente und sind auch durchaus in der Lage, einiges zu bewerkstelligen.
     Eines der Dinge, für die uns beiden jegliche Begabung fehlte, war das Kochen. Es gab drei Standardgerichte,die für jeden Geburtstag herhalten mussten, danach war Schluss. Das war kein Geheimnis. Unsere Freunde gingen gutmütig und
     locker damit um, nur: Sie aßen zu Hause, bevor sie uns besuchten.
    Aber nun hatten wir ein Problem. Ich hielt dem Blick meiner Schwester stand.
    »Marleen vermietet mit Halbpension. Es gibt jeden Abend drei Gänge.«
    Ines legte den Kopf in den Nacken und lachte.
    In dem Moment entlud sich alles: die ganze Situation, unsere Unsicherheit, wie die nächsten Tage verlaufen würden, die kurze
     Nacht, die lange Fahrt. Wir steigerten uns in ein Lachkrampf-Duett hinein, das nur von ausgestoßenen Satzfragmenten wie »Miracoli«,
     »Rollmops mit Brot« oder »Zwieback mit Milch« unterbrochen wurde. Mir taten die Rippen weh, meine Schwester war tränenüberströmt,
     und die anderen Fahrgäste sahen uns irritiert an. Plötzlich stand die Bedienung vor unserem Tisch und stellte zwei Schnapsgläser
     vor uns ab.
    »Von dem Herrn da hinten. Prost.«
    Ich griff nach dem Glas und überlegte, ob ich tatsächlich am helllichten Tage von fremden Herren harte Getränke annehmen sollte,
     bis ich sah, wer der edle Spender war. Ines schaute sich suchend um.
    »Von wem   …?«
    »Trink aus!« Der Schock ließ mich schlagartig ernst werden. »Jetzt müssen wir lügen!«
    Bevor sie irgendetwas verstehen konnte, war es schon zu spät. Gisbert von Meyers Fistelstimme schwang sich zu ungeahnten Höhen
     auf.
    »Was für eine Überraschung. Meine liebe Christine, wir haben uns ja lange nicht gesehen, ach, welche Freude. Schon heute Morgen
     beim Aufwachen habe ich
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