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Kein Paar wie wir

Titel: Kein Paar wie wir
Autoren: Eberhard Rathgeb
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zu alt. Erwachsen genug, um mir Respekt zu verschaffen. Jung genug, um bewundert zu werden.
    »Die Männer sind dir nachgestiegen. Du hast dich vor Avancen nicht retten können. Alle wollten sie etwas von dir.«
    Aber keiner bekam sie, dachte Vika. Sie ging keinem ins Netz. Sie ließ sich von ihnen nicht umgarnen. Dafür war sie zu klug. Wir blieben zusammen.
    »Einmal habe ich …«, begann Ruth.
    »Einmal hast du …«
    Vika wusste, was kommen würde. Sie kannte die Geschichten ihrer Schwester auswendig, sie hätte sie alle aufsagen können wie Schillers Balladen.
    »Er hat mich bis vor die Haustür begleitet.«
    Ich weiß kaum noch, wie er aussah, dachte sie.
    »Er fuhr dich in seinem Wagen nach Hause.«
    »Wie es sich für einen Kavalier gehört.«
    »Ein feiner Kavalier«, sagte Vika.
    Sie sind alle gleich, dachte sie. Sie denken nur an Sex. Sie schwänzeln um die hübschen Frauen herum, solange sie die Hoffnung haben, mit ihnen ins Bett gehen zu können. Das ist alles. Darauf muss eine Frau sich nichts einbilden.
    »Er wollte mit mir in die Wohnung gehen. Ah non.«
    Er wollte mit mir ins Bett gehen, dachte sie. Darauf lief es hinaus. Aber so eine war ich nicht. Da hätte er mit mir lange vor der Wohnungstür stehen bleiben und darauf warten können, dass ich ihn hereinließ.
    »Siehst du.«
    Was bildete der Kerl sich ein, dachte Vika.
    »Die Männer.«
    Sie laden einen zum Essen ein, sie helfen einem in den Mantel, sie halten einem die Tür auf, sie fahren einen nach Hause, aber sie denken dabei nur an das eine, dachte Ruth. Manche sahen gut aus, manche waren gebildet, freundlich, charmant, unterhaltsam, aber wenn es darum ging, wie ein Abend enden sollte, dann waren sie alle gleich.
    »Was dann passiert wäre, das kann man sich ja vorstellen. Den Schlüssel gabst du ihm natürlich nicht. Sie stellen sich vor die Tür und strecken einem die offene Hand entgegen.«
    Andere Frauen hätten ihm den Schlüssel gegeben, dachte Vika. Sie kennen sich aus mit dem Spiel.
    »Ich wusste, er wollte nur rein.«
    »Nur rein wollte er«, bestätigte Vika.
    »Er hieß …«
    Ruth stockte.
    »Er hieß John«, half ihr Vika auf die Sprünge.
    »Ach …«
    Hieß er wirklich John?, dachte sie. Aber wenn sie sagt, dass er John hieß, dann wird es stimmen.
    »John Bowlby«, ergänzte Vika.
    »Ich erinnere mich wieder.«
    John Bowlby, dachte sie. Mag sein, dass er so hieß.
    »Du hast es mir erzählt, und ich merkte es mir.«
    »Du vergisst nichts«, sagte Ruth.
    Wie ein Elefant, dachte sie. Sie ist zwar klein, aber sie hat ein Gedächtnis wie ein Elefant.
    »Ich kann noch die Schillerballaden auswendig aufsagen«, sagte Vika.
    Damit imponierte ich unserem Vater, dachte sie. Wahrscheinlich durfte ich studieren, weil ich die Schillerballaden auswendig aufsagen konnte. Wer in der Lage ist, die Schillerballaden auswendig aufzusagen, das wird sich Vater gedacht haben, der kann nicht ganz dumm sein.
    »Er hielt mir seine Hand hin, aber ich gab ihm den Schlüssel natürlich nicht. Ah non.«
    Ich hätte mich doch nicht in die Hand eines Mannes gegeben, dachte sie.
    »Er kannte dich schlecht. Nicht einmal von Frauen verstehen sie etwas.«
    »Er dachte, ich wäre beschwipst«, sagte Ruth. »Er glaubte, dass er ein leichtes Spiel mit mir hätte. Es war spätabends.«
    In seinen Augen eine günstige Gelegenheit, dachte sie.
    »Ein leichtes Spiel. Es ist immer das gleiche Spielchen.«
    Sie tun so, dachte Vika, als merkte man nicht, auf was das Getue hinauslaufen würde, dabei ist es offensichtlich. Sie halten einen für dumm. Und dumme Weiber finden sie leider überall.
    »Wir waren in einem der nobelsten Restaurants von New York, es war eines der üblichen Geschäftsessen. Ich ging häufig mit Geschäftsleuten essen. Das gehörte zu meinem Job. Ich knüpfte dabei für die Firma Kontakte, festigte die Beziehungen und erfuhr auf diese Weise mehr als die Konkurrenz. Die Geschäftsleute gingen gerne mit mir aus. Ich war eine schöne Frau. Wir tranken Martinis und Weißwein. Aber …«
    »Du hast immer viel vertragen«, fiel ihr Vika ins Wort.
    »Ich war überhaupt nicht betrunken.«
    Nie bin ich betrunken gewesen, dachte Ruth.
    »Nie bist du betrunken gewesen«, sagte Vika.
    »Ah non.«
    »Wer betrinkt sich schon.«
    »Wir nicht.«
    Wer etwas auf sich hält, betrinkt sich nicht, dachte sie.
    »Alkohol zu trinken ist ungesund«, sagte Vika.
    Die Leber geht davon kaputt, dachte sie.
    »Man sollte nur in Maßen trinken«, sagte Ruth.
    Vater nahm keinen
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