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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel
Autoren: Dennis Lehane
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nicht gearbeitet hatte.
    »Ach, unser Volksheld«, grüßte er mich und drehte mir den Rücken zu.
    Ich folgte ihm ins Wohnzimmer, wo ein Kreuzworträtselheft offen auf dem Couchtisch neben einer Flasche Jack Daniel’s, einem halbvollen Glas und einem Aschenbecher lag. Der Fernseher lief, aber ohne Ton, und aus den Lautsprechern klang leise »The Good Life« von Bobby Darin.
    Devin trug einen Morgenmantel aus Flanell, darunter eine Jogginghose und ein Sweatshirt der Polizeiakademie. Er zog seinen Morgenmantel zusammen, setzte sich hin, hob das Glas, nahm einen Schluck und starrte mit glasigem Blick zu mir hoch, doch blieb er so unnachgiebig wie sein Charakter.
    »Hol dir ein Glas aus der Küche!«
    »Ich hab’ keine Lust zu trinken«, gab ich zurück.
    »Ich trink’ nur alleine, wenn ich alleine bin, Patrick, verstanden? «
    Ich holte mir ein Glas, und er goß mir großzügig ein. Dann hob er sein Glas.
    »Aufs Bullentöten!« sagte er und trank.
    »Ich hab’ keinen Bullen getötet.«
    »Deine Kollegin aber.«
    »Devin«, sagte ich, »wenn du mich wie ein Stück Dreck behandeln willst, dann bin ich weg.«
    Er zeigte mit dem Glas Richtung Tür. »Bitte, die Tür ist offen.«
    Mit einer heftigen Bewegung stellte ich das Glas auf dem Couchtisch ab, so daß etwas Bourbon herausschwappte. Ich stand auf und ging zum Ausgang.
    »Patrick.«
    Mit der Hand auf dem Türknauf drehte ich mich um.
    Keiner sagte etwas, nur Bobby Darins seidenweiche Stimme erfüllte das Zimmer. Ich stand auf der Schwelle, und alles, das in meiner Freundschaft mit Devin unausgesprochen und unreflektiert war, stand zwischen uns, und dazu sang Darin sein entrücktes Klagelied über das Unerreichbare, über die Kluft zwischen unseren Wünschen und dem tatsächlich Erlangten.
    »Komm wieder rein!« forderte er mich auf.
    »Warum?«
    Er sah auf den Tisch, nahm den Stift aus dem Rätselheft und klappte es zu. Dann stellte er sein Glas darauf und blickte zum Fenster, in dem sich die erste schwache Spur des Tagesanbruchs zeigte.
    »Weil ich außer den Bullen und meinen Schwestern keine anderen Freunde habe als Ange und dich.«
    Ich setzte mich wieder und wischte den Bourbon mit dem Ärmel vom Tisch. » Die Sache ist noch nicht vorbei, Devin.«
    Er nickte.
    »Broussard und Pasquale haben von jemandem den Befehl für den Überfall bekommen.«
    Er schenkte sich nach. »Und wahrscheinlich weißt du auch, von wem?«
    Ich lehnte mich im Sessel zurück und nippte an meinem Glas, denn harte Sachen hatte ich noch nie besonders gemocht. »Broussard hat mir gesagt, Poole habe nicht geschossen. Nie. Ich habe die ganze Zeit gedacht, daß Poole derjenige war, der das Geld aus den Steinbrüchen geholt hat, der Mullen und Pharaoh abgeknallt und das Geld an jemand anderen weitergegeben hat. Aber ich wußte nie, wer dieser Dritte sein sollte.«
    »Was für Geld? Wovon redest du da, zum Teufel?«
    In der nächsten halben Stunde erzählte ich ihm die ganze Geschichte.
    Als ich fertig war, zündete er sich eine Zigarette an und rekapitulierte: »Broussard entführt das Mädchen, Mullen beobachtet ihn dabei. Olamon erpreßt Broussard, damit er die zweihundert Riesen findet und zurückgibt. Broussard spielt ein doppeltes Spiel, er sorgt dafür, daß Mullen und Gutierrez erledigt und Cheese im Knast umgelegt wird. Richtig?«
    »Der Tod von Mullen und Gutierrez gehörte zum Deal mit Cheese«, korrigierte ich. »Aber ansonsten, ja.«
    »Und du hast gedacht, Poole hätte geschossen.«
    »Bis ich bei Broussard auf dem Dach war.«
    »Wer war es denn dann?«
    »Na ja, es waren nicht nur die Schüsse. Jemand mußte Poole das Geld abnehmen und es vor 150 Bullen verschwinden lassen. Das konnte kein einfaches Streifenhörnchen machen. Das mußte einer von ganz oben erledigen. Der über jeden Zweifel erhaben ist.«
    Er hob die Hand. »Hey, warte mal kurz. Wenn du meinst…«
    »Wer hat Poole und Broussard erlaubt, die Vorschriften zu umgehen und die Lösegeldübergabe ohne Beteiligung der Bundespolizei durchzuziehen? Wessen Lebensaufgabe ist es, Kindern zu helfen, Kinder zu finden, Kinder zu schützen? Wer war in jener Nacht in den Hügeln, gehörte zur Einsatzgruppe und brauchte niemandem außer sich selbst Bericht erstatten, wo er gewesen war?«
    »Oh, Scheiße!« sagte Devin. Er trank einen Schluck und verzog das Gesicht. »Jack Doyle? Du glaubst, Jack Doyle hat damit zu tun?«
    »Ja, Devin. Ich glaube, Jack Doyle ist derjenige.«
    »Oh, Scheiße«, wiederholte Devin. Mehrmals. Dann
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