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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung
Autoren: Joy Fraser
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richtigen Weg.“
     
    Nach dem Essen saßen sie bei einer Tasse Kaffee auf der hölzernen Terrasse, unter einem beigefarbenen großen Sonnenschirm, der als einziges Inventar in diesem Haus jünger als dreißig Jahre war. Der Blick vom Garten auf den Rhein war der idyllischste, den Sandra seit ihrem letzten Urlaub in der Toskana genießen durfte. Eine leichte Brise machte den Tag im Freien paradiesisch. Sie genoss die Sonne, die sie als voll Berufstätige samt Überstunden nicht oft auf ihrer Haut zu spüren bekam. Sie zog die Schuhe aus, hielt ihre Füße in den unschattierten Bereich und bewegte die Zehen im Sonnenlicht. Ihre Tante musterte sie mit ernstem Blick.
    „ So, Schätzchen, ich bin eine alte Frau und habe nicht viel Zeit. Lass uns auf den Punkt kommen.“
    Plötzlich war Tantchen also doch eine alte Frau. Im ersten Moment war Sandra erschrocken. Sie hatte bereits ihre Eltern verloren, und Gudrun zu verlieren war ein Gedanke, den zu denken sie sich nicht gestattete. Doch bei genauerem Hinsehen entdeckte sie den Schalk in Gudruns Augen und konnte erleichtert aufatmen. Bei Gudrun war alles möglich, sogar die Unwahrscheinlichkeit, sie könne das Datum ihres Todes kennen.
    „ Dann sag mir wie, in Gottes Namen, soll ich einen Mann finden, der mir nicht nach einer Woche auf die Nerven geht?“
    Gudrun trank einen Schluck Kaffee und Sandra machte sich innerlich auf die nächste schmerzliche Wahrheit gefasst.
    „ Nichts leichter als das. Sei einfach eine Frau.“
    Sie entspannte sich. Das hatte nicht mal wehgetan.
    „ Aber das bin ich doch, sieht man das etwa nicht?“
    Sie spannte ihren Brustkorb und hob Gudrun die eindeutigen und nicht unbedingt kleinen Beweise entgegen. Gudrun lachte auf.
    „ Das ist genau das, was die Männer auch sehen, aber dann stößt du sie zurück.“
    Sie hatte das Gefühl zu erblassen und zu erröten in einem Aufwasch. Eine ungeheure Bemerkung, die sie in ihren Grundfesten erschütterte. Was immer sie auch falsch machte im Umgang mit dem anderen Geschlecht, das konnte es auf keinen Fall sein.
    „ Ich? Ich stoße sie zurück? Sie laufen mir weg!“
    „ Das ist dasselbe, mein Schatz. Sie laufen weg, weil du dich nicht wie eine Frau benimmst, was dasselbe ist, wie sie zurückzuweisen.“
    Das saß. Sandra starrte stumm in den blauen Himmel und dachte darüber nach. „Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst“, sagte sie dann.
    „ Ich weiß.“ Gudrun seufzte, als hätte sie einen hoffnungsvollen Fall vor sich. „Frage dich zunächst, was es heißt, eine Frau zu sein. Fächere es auf. Betrachte die Aspekte.“
    „ Nichts leichter als das. Eine Frau zu sein heißt jeden Monat Schmerzen zu haben, sich immerzu in der Männerwelt behaupten zu müssen, weniger zu verdienen als diese, sich ständig gegen deren Geilheit wehren zu müssen, ausgeleierte Brüste und breite Hüften nach dem Kinderkriegen. Außerdem klebt an uns immer die große Wäsche und das Bügeln.“
    „ Mein Gott“, sagte Gudrun entsetzt, „kein Wunder, dass sie dir weglaufen, bei dieser Einstellung.“
    „ Das sind Tatsachen, Tante Gudrun, nackte Tatsachen.“
    Sie wusste um ihre schwache Verteidigung, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
    „ Weil du sie zu deinen Tatsachen machst.“
    „ Hm?“
    „ Was ist mit Liebe, Hingabe, Weichheit, Schönheit, Verständnis, all die weiblichen Aspekte? Die Welt um dich herum spiegelt dir stets, woran du glaubst, denn alles andere siehst du nicht, obwohl es da ist. Verändere deine Glaubenssätze, Kind, dann verändert sich dein ganzes Leben.“
    Wieder spürte sie eine Resonanz tief in ihrem Inneren. Falsche Glaubenssätze, das klang vernünftig. Aber wie änderte man jahrelang trainierte Denkmuster?
    „ Ich denke nun mal so über Männer, wie kann ich das ändern?“
    Gudrun zupfte sich einen Fussel von ihrem weißen T-Shirt. Hinter ihr kämpften zwei Amseln mit lautem Gezeter um ihr Revier.
    „ Du musst erkennen, was eine Frau ausmacht und was einen Mann, und die Unterschiede akzeptieren. Der Rest ergibt sich von allein.“
    Die alten Rollenbilder kamen ihr ins Gedächtnis. Die Frau am Herd und Kindernasen putzend, der Mann bei der Arbeit, wird bedient von vorne bis hinten, wenn er nach Hause kommt, hat Gottesstatus und alle fürchten sein Wort.
    „ Tantchen, über Generationen haben sich die Frauen ihren heutigen Stand erkämpft, und du sagst ich soll wieder zurück in das alte Muster?“
    Ungläubig starrte sie ihre Tante an. Gudrun tadelte sie mit einem
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