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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung
Autoren: Joy Fraser
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dieser Maschine war, dann sollte doch logischerweise auch mein Koffer an Bord sein, finden Sie nicht auch?“
    „ Sandra.“
    Der Finger, der auf ihre Schulter tippte, gehörte Rolf.
    „ Was?“
    Er wich instinktiv ein Stück zurück. „Der arme Mann macht nur seinen Job. Schließlich war es nicht er persönlich, der die Koffer in die Maschine geladen hat. Füllen Sie endlich das blöde Formular aus. Die werden Ihren Koffer schon finden und ins Hotel schicken.“
    Sie starrte ihn an wie jemand der soeben neun Stunden Flug neben einem schreienden Baby hinter sich hatte. Dabei hatte sich die Mutter so viel Mühe gegeben, aber das Kind war anscheinend krank gewesen. Rolf hatte einfach die Kopfhörer eingestöpselt, den Musikkanal eingestellt, und prima geschlafen.
    „ Okay, dann lassen Sie uns hier verschwinden“, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
    Sie schenkte dem Angestellten einen Mörderblick. Der Mann hob beide Hände.
    „ I'm sorry.“
    „ Ja, ja, Sie können sich Ihr sorry ...“, murmelte sie auf Deutsch und brach den Satz ab.
    Sie war schon lange nicht mehr so sauer gewesen, aber Rolf hatte recht. Es war nicht die Schuld dieses Mannes. Der Flug hatte sie die letzten Nerven gekostet. Schlafen in sitzender Embryohaltung war noch nie ihre Sache gewesen, und dann noch dieses schreiende Baby. Sie nahm Rolf übel, dass er so friedlich hatte schlummern können. Zu allem Überfluss sah er aus wie das blühende Leben, während sie um Jahre gealtert war. Durch den Flug nach Westen musste sie den Tag noch einmal leben und die fehlende Nacht konnte sie abschreiben. Gott sei Dank fand heute noch nicht die Präsentation statt. Sie würden vorerst nur von Stuart begrüßt werden und danach vermutlich Essen gehen. Mit etwas Glück konnte sie sich dann zurückziehen. So hoffte sie jedenfalls.
    Rolf war bereits ein paar Meter vor ihr, und sie starrte neidisch auf den Koffer, den er hinter sich herzog wie ein Hündchen an der Leine. Verdammt. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie sich nicht einmal umziehen konnte. Tränen der ohnmächtigen Wut stiegen in ihr hoch. Sie wischte sich über die Augen, wobei es ihr egal war, ob sie das Make-up ruinieren würde. Wahrscheinlich war es sowieso längst hinüber und die Ringe unter ihren Augen jenseits jeden Tarnungsversuchs durch kosmetische Produkte.
     
    Im Hotel angekommen rechnete Sandra mit Zimmerüberbuchung, Überschwemmung oder Hotelbrand, und damit, die Nacht im Freien verbringen zu müssen. Doch weitere Katastrophen blieben aus. Das Zimmer des großen Hotels der gehobenen Klasse war großzügig geschnitten und extrem ruhig, nach all dem Lärm von Flughafen und Stadt. Die Flugzeugmotoren hatten ein Echo des dumpfen Dröhnens in ihren Ohren hinterlassen und sämtliche Knochen taten ihr weh vom Versuch, eine thrombosefreie Position für ihre langen Beine zu finden. Die Firma hatte sich geweigert Business-Class zu spendieren, was Sandra ungeheuer geizig fand. Es handelte sich um einen Millionenauftrag, was machten da schon ein paar Kosten für menschenwürdige Sitze?
    Ruhe, sie brauchte dringend Ruhe. Aber die war ihr nicht vergönnt. In einer halben Stunde sollte sie wieder unten im Foyer sein, um sich mit Rolf zu treffen. Sie hatten kein Wort mehr miteinander gesprochen seit der Kofferaffäre. Wahrscheinlich würde sie sich bei ihm für ihr Benehmen entschuldigen müssen.
    Eine kühle Dusche gab ihr ein paar der verlorenen Lebensgeister zurück. Sonnenlicht sei gut gegen die Auswirkungen der Zeitverschiebung, hatte sie gehört. Es gab keinen Mangel an Sonnenlicht hier und es war ebenso heiß wie in Köln. Kanada hatte sie sich immer frostig vorgestellt, so war sie angenehm überrascht, einen richtigen heißen Sommer vorzufinden. Aus dem Fenster konnte sie die Wolkenkratzer der Stadt sehen, einen strahlend blauen Himmel über dem Pazifik, hineingetupfte grüne Inseln in der Ferne. Hier zu arbeiten musste himmlisch sein. Sie träumte von Mittagspausen am Strand und seufzte.
    Wieder in ihre verschwitzten Kleider steigen zu müssen, glich einer persönlichen Herausforderung. Besonders ihr Slip war praktisch nass von Schweiß. Nach kurzer Überlegung griff sie zum Telefon und wählte die Rezeption. Man bestätigte es gäbe im Hotel einen Laden, in dem man alles Nötige für den Fall des Kofferverlustes kaufen könne, und nein, ihr Koffer sei noch nicht angekommen. Leise vor sich hin fluchend verließ sie das Zimmer, auf der Suche nach dem Geschäft. Sie fand es nach etwa
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