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Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Titel: Kein ganzes Leben lang (German Edition)
Autoren: Daniela Benke
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dass der Tod uns scheidet“, murmelte Christiano und küsste sie.
     
    Am Sonntag gingen sie zum Brunch. Christiano schob den Kinderwagen in das Lokal. Anna hielt ihm die Tür auf. Während Christiano Laura die Flasche gab, ging Anna zum Buffet. Bevor sie sich wieder setzte, küsste sie Christiano auf die Haare. Als sie ihren Blick hob, sah sie sie. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke. Sie lächelte der Nachbarin zu, die sie musterte. Dann setzte sich Anna mit dem Rücken zu ihr.
    „Die arme Frau, auch wenn sie mich nervt. Sie muss unendlich einsam sein.“
    Christiano sah auf. Laura schmatzte genüsslich.
    „Kein Wunder“, sagte er erbarmungslos.
    „Es muss schwer sein, alleine alt zu werden“, dachte Anna laut nach.
    „Etwas, worüber wir uns keine Gedanken machen müssen. Wir werden steinalt zusammen.“
    Er lächelte sie an.
    Hoffentlich, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie war nicht mehr naiv.
     
    Lucrezia starrte ungläubig auf den Stick in ihrer Hand.
    „Schwanger“, murmelte sie. Sie schüttelte den Kopf.
    Wieder verglich sie die zwei roten Striche mit denen auf dem Beipackzettel.
    „Zweifel ausgeschlossen.“ Sie ließ den Stick fallen. „Das ist unmöglich. Das darf nicht sein.“
    Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Die letzte Nacht, die sie mit Christiano verbracht hatte, kam ihr in den Sinn. Es war nicht unmöglich, aber es durfte nicht sein. Mit zitternden Fingern zündete sie sich eine Zigarette an. Ihre Beine gaben nach. Hastig setzte sie sich. Sie inhalierte tief den Rauch. Das Zittern ließ nach. Die Vorhänge waren zur Seite gezogen und gaben den Blick auf den Balkon frei. Sie sah sich dort neulich abends gebückt sitzen. Um zu sehen, wer geschellt hatte, hatte sie einen der Blumenkästen zur Seite gerückt. Als sie Anna entdeckte, fiel auch schon der Topf aus dem Kasten. Später hatte sie gesehen, dass der Kasten marode gewesen war.
    Schade, dass der Topf Anna verfehlt hatte, schoss es ihr jetzt durch den Kopf. Christiano, sie und das Kind wären eine schöne Familie geworden. Sie zog an der Zigarette, drückte sie aus, nur um sich eine neue anzuzünden.
    So sahen ihre Möglichkeiten eher düster aus.
     
    Unschlüssig stand Lucrezia vor dem kalten Sechzigerjahre-Bau. Sie beobachtete die Menschen, die dort ein und aus gingen, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Sie wendete ihr Handy in ihrer Hand. Ein paarmal rief sie Christianos Nummer auf, ohne sie zu wählen. Gab es eine andere Lösung? Konnte sie es behalten? Sie kannte die Antwort. Als sie die Türschwelle der Klinik überschritt, klopfte ihr Herz.
     
    „Mama, ich bin es.“
    „Lucrezia, Liebes, was für eine seltene Freude. Ich habe gerade zu deinem Vater gesagt, wie lange haben wir nichts mehr von unserer Lucrezia gehört.“
    „Vergiss es, es war ein Fehler. Schönen Abend.“ Lucrezia legte auf. Sie ertrug diese
    Vorwürfe jetzt nicht. Wie war sie nur auf die dumme Idee gekommen, ihre Mutter könnte ihr helfen?
    Das Telefon klingelte. Die Festnetznummer ihrer Eltern.
    Sie nahm ab.
    „Es tut mir leid, ich hatte mich verwählt. Vergiss, dass ich angerufen habe“, meldete sie sich.
    „Hier ist der Papa.“
    Sie stockte.
    „Papa, wie geht es dir?“, stotterte sie jetzt. Sie hatte nicht die Nerven für ein solches Gespräch.
    „Ich mache mir Sorgen. Geht es dir gut? Wir wissen gar nicht, was du so machst.“ Seine Stimme war voller Schmerz.
    Sie setzte an zu sagen, es ginge ihr gut, sie bräuchten sich keine Gedanken zu machen, bald käme sie zu Besuch. Doch den Gedanken, ihnen die gute Tochter vorzuspielen, ertrug sie nicht. Sie hatte die Nase voll von Spielen.
    „Papa, mir geht es schlecht. Ich habe mit dem Ehemann meiner Freundin ein Verhältnis gehabt. Als er zu ihr zurückgekehrt ist, habe ich herausgefunden, dass ich schwanger war.“ Lucrezia hielt inne, sie schluckte, dann fügte sie leise hinzu: „Mit seinem Kind, das ich nicht behalten konnte.“
    In der Telefonleitung war es still.
    „Papa, bist du noch da?“
    Sie hörte ein Röcheln.
    „Madonna“, krächzte ihr Vater. Sie hörte ein Poltern, gefolgt von einem spitzen Schrei ihrer Mutter.
    Dann war es totenstill.
     
    Der Arzt versicherte ihr später, dass es nur eine Frage der Zeit gewesen war. Machte das einen Unterschied?
    Lucrezia sah aus dem Fenster des Busses, der sie vom Flughafen nach Hause brachte. Hinter der Kurve tauchte ihr Heimatdorf auf. Die barocken kleinen Häuser erhoben sich trotzig über den Felsen, gegen die tief unten die
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