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Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Kein ganzes Leben lang (German Edition)

Titel: Kein ganzes Leben lang (German Edition)
Autoren: Daniela Benke
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Ihre Haare waren hochgesteckt. Auch um diese Uhrzeit war ihr roter Lippenstift noch frisch.
    Christiano runzelte die Stirn, beeilte sich jedoch dann zu versichern: „Wie dumm von mir. Das ist mir völlig entfallen.“ Doch der Alten war das Zögern nicht entgangen.
    Bevor sie jedoch etwas erwidern konnte, klingelte das Telefon in ihrer Wohnung. Ihre Neugierde über den Anrufer siegte. Christiano atmete auf. Erleichtert sah er auf die Wohnungstür, die sich hinter ihr schloss. Sie ließ einen Duftschwall Chanel No. 5 zurück. Stille füllte den Flur bis unter die hohen Decken.
    Sein Blick fiel auf die Seitentasche des Koffers, aus der ein weißer Umschlag hervorschaute.
    Er griff nach dem Umschlag, auf dem in geschwungener weiblicher Schrift „Christiano“ stand. Ein heißer Schauer lief ihm über den Rücken. Der Umschlag war aufgerissen. Ein Foto fiel heraus. Noch bevor er es umdrehte, wusste er, wer dort abgebildet war.
     
    Anna saß hinter der Tür. Im Rücken spürte sie das kalte Metall. Ihr Herz klopfte wild. Fast tat er ihr leid. Diese alte Neugierde.
    Sie hörte Geraschel und dann Stille. Christiano hatte den Umschlag entdeckt. Was ihr bis vor Kurzem noch als genial vorgekommen war, erschien ihr jetzt zu gewagt. Sie war nicht mutig oder vielmehr nicht mehr mutig. Kurz erinnerte sie sich an die aufstrebende, vielversprechende Anwältin, die sie gewesen war. Damals war sie sehr mutig gewesen. „Damals“ war nur zwei Jahre her. Zwei Jahre, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen.
    Sie presste das Ohr an den Türrahmen. Der Koffer wurde aufgehoben. Sie hörte Schritte, wie die Türen des Paternosters metallisch zufielen und dann Stille. Es hatte keiner Worte mehr bedurft.
    Christiano ließ sich auf das viel zu große Bett fallen. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Schuhe auszuziehen; ein Vorteil, in einem Hotelzimmer und nicht im heimischen Schlafzimmer zu sein. Wenn er nur dieses verdammte Foto nicht aufgehoben hätte. Sein Kopf schmerzte. Er hatte sich doch nur vergnügen wollen. Jetzt war es kompliziert. Falsch, korrigierte er sich. Kompliziert war es schon, seit er Lauras Geburt verpasst hatte. Der Gedanke daran bohrte sich wie ein Stachel in sein Herz.
    Er schenkte sich ein Glas Martini ein. Sein Telefon klingelte. Er wusste, wer es war. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie heute Abend zu treffen. Zu leicht. Lustlos nippte er an seinem Glas und ließ das Telefon klingeln.
    Als er aus der Dusche kam, öffnete er den Koffer, um sich einen Schlafanzug herauszuholen. Erstaunt ließ er ihn los. Er war voller Badehosen, Strandhandtücher und Badeschlappen. Er schmunzelte widerwillig. Anna hatte ihn lange nicht mehr überrascht. Als sie nach Mailand zogen, musste sie ihren Job aufgeben. Er hatte eine Fernbeziehung nicht gewollt, allein den Gedanken, ohne Anna einzuschlafen, hatte er nicht ertragen. Dass ihm irgendwann etwas fehlen würde, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Er zog sich eine blaue Badehose an und setzte sich auf das Bett. Nachdenklich nippte er an seinem Martini und sah sich in dem eleganten Hotelzimmer um. Nichts davon beeindruckte ihn. Er hatte sich so darauf gefreut, den anstrengenden Tag auf dem Sofa ausklingen zu lassen. Christiano trat mit dem Fuß nach dem Koffer. Er hasste Komplikationen in seinem Privatleben.
     
    „Köstlich! Was hätte ich gegeben, um sein Gesicht zu sehen.“ Helene hatte es sich an dem Küchentisch gemütlich gemacht. Ihre Augen glitzerten schelmisch.
    „Ich vermisse ihn“, sagte Anna unvermittelt. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Von Mordlust bis zu Liebe war alles dabei.
    „Hör auf mit den Gefühlsduseleien“, befahl ihre Großmutter, „als er sich vergnügte, während du in den Wehen lagst, hat er dich auch nicht vermisst. Du ...“
    „Und was passiert jetzt?“, fragte Anna schnell, bevor Helene weiter in der Wunde bohren konnte.
    „Wir warten ab.“ Helene drehte sich vor Anna. „Wie findest du das Kleid? Ich habe es in dem Laden gegenüber von eurem Haus gekauft.“
    Erst jetzt fiel Anna das knallrote, lange Sommerkleid mit dem hohen Schlitz an der Seite auf.
    „Gewagt.“
    „Ja, nicht wahr?“, kicherte ihre Großmutter. „Mir hat sogar ein älterer Herr hinterhergeschaut. Das wäre mir in Deutschland nie passiert. Ich liebe die italienischen Männer.“
    „Es freut mich, dass bei dir der zweite Frühling ausgebrochen ist. Bei mir ist gerade Eiszeit“, entgegnete Anna verstimmt.
    Helene nahm Anna in den Arm.
    „Eine Wahrheit, die
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