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Kein Fleisch macht gluecklich

Kein Fleisch macht gluecklich

Titel: Kein Fleisch macht gluecklich
Autoren: Andreas Grabolle
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    Fleischland
    Im Verborgenen liegen die Mastbetriebe für Schwein, Huhn, Pute (Truthuhn) und Ente hier im Landkreis jedenfalls kaum noch. Dazu sind es inzwischen viel zu viele. Die Landschaft ist voll von ihnen und von den – praktischerweise gleich danebenstehenden – Futtermittelfabriken und Schlachthöfen. Mit etwa 45 Prozent der Gesamtbestände ist Niedersachsen quasi die Geflügelhochburg Deutschlands, mehr als die Hälfte aller deutschen Masthühner wird dort gehalten. Die menschlichen Bewohner hier leben offenbar nicht schlecht von der Nutztierhaltung. Die Wohngebiete aus neuen Einfamilienhäusern künden von Wohlstand. Ein gutes Drittel aller Betriebe des Landkreises Cloppenburg und rund 40 Prozent der Beschäftigten hier gehören zum Ernährungsgewerbe. Die Gemeinden Essen (!) und Emstek im Kreis Cloppenburg zählen zu den Kommunen mit den höchsten Gewerbesteuereinnahmen Niedersachsens. Vechta, der steuerkräftigste Landkreis, liegt gleich daneben. Laut Eigenwerbung bilden die beiden Kreise Cloppenburg und Vechta den »Kulturraum des Oldenburger Münsterlandes«.
    Wir steuern noch bei Tageslicht verschiedene Anlagen an, um sie vom Auto aus in Augenschein zu nehmen. Einige kennt Jan bereits, auch von innen. An einem Maststall prangt Werbung für eine Fast-Food-Kette. Der nächste Imbiss, an dem wir vorbeikommen, nennt sich »Fleischparadies«. In diesem nahezu unterirdischen Landstrich – wir befinden uns laut Navi einen Meter unter dem Meeresspiegel – scheint alles mit Fleisch zu tun zu haben. Mein Hirn wird in der Dämmerung schon ganz wuschig. Wirft da nicht gerade jemand totes Geflügel ins Feuer? Und ist das Hackepeter dort auf der Reklametafel? Nein, es sind nur rote Geranien. Vielleicht bin ich etwas nervös. Besser erst mal was essen. Pommes gibt es zum Glück überall.
    Die Region produziert nicht nur Fleisch in Massen, auch erneuerbare Energien liegen hoch im Kurs. Die Felder mit Raps und Energiemais stehen mancherorts noch jetzt im Herbst, dazwischen Windräder, und neben den Mastanlagen blähen sich die Tanks von Biogasanlagen auf. Gülle und Mist zur Gärung gibt es hier zweifellos mehr als genug. Und nahezu jedes der mehrere Hundert Meter langen Dächer der Mastställe ist mit Solarzellen gepflastert. Das trübe Wetter scheint nicht ganzjährig vorzuherrschen. Uns kommt der Nebel heute gelegen, der Vollmond würde unser nächtliches Treiben eher erschweren. Jan ärgert sich, dass er sein Nachtsichtgerät vergessen hat. »Aber früher ging’s auch ohne«, tröstet er sich.
    Das Navi lotst uns in die Nähe unseres ersten Besuchsobjekts. Ich fühle mich wie ein Ganove bei Aktenzeichen XY , als ich Handschuhe und Sturmhaube anziehe und wir ins Dunkel der Nacht tauchen. Putenmastanlagen sehen nachts von Weitem aus wie lange grüne Lichterketten. Durch die Kunststoffrollos der seitlichen Fenstergitter schimmert das Kunstlicht, das fast rund um die Uhr brennt, um die Futteraufnahme der Tiere anzuregen. Ein paar Dutzend Meter vor der Anlage hören wir ihr Gurren, es klingt wie ein Schwarm Gänse am Himmel. Die Masse an Truthühnern ist beklemmend, wenngleich ich nicht die ganze Länge des Stalls überblicken kann. Bis zu 20000 Vögel würden in dieser Art von Ställen leben, erzählt Jan. Drei Ställe stehen hier dicht beieinander.
    Entenhausen
    Ein Wassergraben trennt uns von der nächsten Station unserer Tour. Ich will weder nass werden noch kneifen, es hilft nur ein sehr beherzter Sprung. Die Anlage ist besetzt mit Pekingenten (»Einmal die 92, süß-sauer, mit Reis«). Süß sind die kleinen Entenküken, die neugierig durch den Torspalt linsen. In großen Gruppen kuscheln sie sich im Aufzuchtstall aneinander. Wie ein riesiger Schwarm Hornissen klingt das Schnattern der erwachsenen Tiere im benachbarten Maststall. Pekingenten sind viel größer als Stockenten. Das Gefieder dieser Tiere hier ist struppig und verdreckt. Enten hätten in der Mast etwas mehr Platz als andere Vögel, weil sie sich mehr bewegen müssten, um Fleisch anzusetzen, erklärt mir Jan. Aber auch sie wachsen zu schnell. Daher sehen sie so unproportioniert aus und bekommen Gleichgewichtsstörungen. Manche Enten liegen deswegen hilflos auf dem Rücken und kommen nicht mehr auf die Beine. Ich denke lieber nicht darüber nach, was mit ihnen passiert. Pro Ente verdient der Landwirt lediglich 22 Cent. Da kann er sich nicht mit einzelnen Tieren aufhalten.
    Das Bayerische
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