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Kein Fleisch macht gluecklich

Kein Fleisch macht gluecklich

Titel: Kein Fleisch macht gluecklich
Autoren: Andreas Grabolle
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essen aus, oder ist das halbherzig und inkonsequent? Und vor allem: Kann es in Ordnung sein, für ein leckeres Essen empfindungsfähige Lebewesen zu quälen oder zu töten, und gibt es einen ethisch vertretbaren Weg der »Tierproduktion«? Nach vielen Jahren zwischen Versuchung (Thüringer Bratwurst) und Verzicht bin ich auf der Suche nach einer Ernährung, die meine Ansprüche an Geschmack, Gesundheit und Gewissen erfüllt. Und seit meine kleine Tochter mitisst, muss ich auch für sie verantworten, was auf den Tisch kommt.
    Ich warte jetzt auf »Mrs Rumpsteak«, das sind 180 Gramm Rindfleisch – die Damenportion. Die 250-Gramm-Herrenportion »Mr Rumpsteak« hat sich mein Gegenüber Steffi bestellt. Sie liebt Fleisch. Ich auch, nur verkneife ich es mir, mehr oder weniger. Das wäre für Steffi undenkbar. Als befreundete Kollegin hat sie sich bereit erklärt, sich während meiner Erkundungsreise durch die Kultur und Unkultur des Fleisches mit mir bei gemeinsamen Mahlzeiten über unsere Erfahrungen auszutauschen. Wir wissen nicht, wo das enden wird. Werde ich wieder guten Gewissens zum Fleischesser und sie Veganerin? »Wenn das Buch fertig ist«, schätzt Steffi, »werde ich ein bisschen weniger Fleisch essen und du ein bisschen mehr. Du hast ja mal gesagt, du bist eigentlich ein verkappter Fleischfresser.« Ich kann mir vieles vorstellen. Vielleicht werde ich ja keinen Fisch mehr essen, dafür aber wieder gelegentlich Geflügel.
    »Ich muss nicht jeden Tag Fleisch essen«, sagt Steffi. »Aber nach drei Tagen ohne Fleisch bekomme ich schlechte Laune.« Das kenne ich auch. Dann esse ich Fisch. Genau genommen bin ich also gar kein Vegetarier, auch wenn ich mich bisher als solcher gefühlt habe. Ich unterstelle Fischen einfach, dass sie weniger Empfindungen als Vögel und Säuger haben. Zumindest besitzen sie keinen Neocortex, also keine hoch entwickelte Großhirnrinde oder etwas Vergleichbares, das bei den anderen Wirbeltieren (neben Fischen sind das Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere) für eine bewusste Wahrnehmung sorgt. Zudem glaube ich, dass tierische Proteine, also Eiweiße, für die menschliche Ernährung wichtig sind, weswegen ich neben Fisch reichlich Eier und Milchprodukte esse. Wenn ich ganz ehrlich bin, ist mein Fischessen eher ein fauler Kompromiss. Da ich Fleisch vermisse, will ich nicht auch noch auf Fisch verzichten.
    »Heute gab’s im Büro zu Mittag Fisch«, berichtet Steffi. »Kein Mensch hatte Gräten auf seinem Teller, ich ungefähr zehn. Die Entscheidung Fisch oder Fleisch würde mir nicht schwerfallen.« Ganz oben auf Steffis Favoritenliste steht Wurst. »Ich kann mich dran erinnern, dass wir früher zum Fleischer gegangen sind und mir ’ne Bocki oder Wiener in die Hand gedrückt wurde. Das war für mich das Allergrößte. Ich bin noch heute ein leidenschaftlicher Wieneresser. Ausnahme sind die Biowiener im Büro, die aussehen wie abgeschnittene Finger. Da verpasst du echt nichts. Das ist, wie wenn du in Leberwurst beißt.«
    Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich möchte, dass meine Tochter eine ebenso leidenschaftliche Fleisch- und Wurstesserin wird wie Steffi. Bislang gab es bei uns zu Hause nie Fleisch. Aber letzte Woche habe ich für meine Tochter Biohühnchenbrustfilet gekauft, ein sündhaft teures Stück, 7 Euro für 250 Gramm. Sie hat es wieder ausgespuckt. Ich solle es doch beim nächsten Mal pürieren und ihr unterjubeln, schlägt Steffi vor. Das käme mir seltsam vor – ihr Fleisch zu geben, wenn sie es nicht mag. Ich muss mehr darüber erfahren, ob Fleisch für Kinder wirklich wichtig ist. Steffi jedenfalls hat aufgrund der fleischlosen Ernährung echtes Mitleid mit meiner Tochter. »Ich kenne kein Kind, das nicht gerne Leberwurststulle isst. Ich frage mich, ob sie irgendwann sagen wird: ›So, jetzt könnt ihr mich mal, ich nehme mein Taschengeld und gehe zu McDonald’s.‹«
    Fleischfreund
    Meine eigene kulinarische Prägung entspricht der Zeit, in der ich aufwuchs. Die Küche meiner Mutter erschien mir international: türkischer Pilaw, japanischer Lauch, italienischer Salat und englischer Farmerauflauf. Sie war es aber wohl nur dem Namen der Gerichte nach. Geschmacklich blieb das Essen ziemlich deutsch. Alles war lecker, und alles war fleischhaltig. Es gab auch Gemüse, das kam meist aus der Konserve (»das famose Zartgemüse aus der Dose«), seltener vom Wochenmarkt – aus Zeitgründen. An gänzlich fleischlose Hauptgerichte, außer natürlich Fisch, kann ich mich
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