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Kein Bisschen ohne dich

Kein Bisschen ohne dich

Titel: Kein Bisschen ohne dich
Autoren: Mari Mancusi
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liebt?
    Aber Magnus ist nicht hier. Meine Schwester ist hier.
    »Rayne«, versuche ich, mit klappernden Zähnen zu sagen. Meine letzten Worte - ich muss mich bemühen, dass sie Gewicht haben. Meine Schwester muss wissen, wie dankbar ich ihr bin für alles, was sie für mich getan hat. Für die Gefahren, die sie auf sich genommen hat, um mich zu beschützen. Ich kenne sie nur allzu gut -
    sie wird sich Vorwürfe machen, sie wird zu dem Schluss kommen, dass sie verantwortlich ist für meinen Tod, nicht Bertha. Dass sie irgendwie mehr hätte tun können, um mich zu retten.
    Aber sie irrt sich. Es ist nicht ihre Schuld. Und es ist ganz wichtig, dass ich sie davon überzeuge, bevor ich meinen letzten Atemzug tue.
    Meine Zunge fühlt sich ganz dick an, meine Gedanken werden schwerfällig und jedes Wort kommt nur mit letzter Kraft heraus. »Du bist die beste Schwester, die ein Mädchen sich wünschen kann«, schaffe ich, mit großer Anstrengung zu sagen. »Ich ... hab dich lieb.«
    Ich will noch mehr sagen - tausend Dinge - , aber in diesem Augenblick reißt die Schwärze mich fort und nimmt mich mit . . . für immer.

1
    »Sunny! Rayne! Seid ihr zwei noch im Bett? In zehn Minuten kommt der Bus!«
    Verschlafen reibe ich mir die Augen. Und bin völlig verwirrt. Es klingt wie die Stimme meiner Mutter, wenn sie direkt vor meiner Zimmertür steht. Aber das ist unmöglich, denn sie ist weg und herrscht über das Elfenreich. Und ich, na ja, ich sitze fest im Land der Toten. Dort hänge ich herum seit jener schicksalhaften Nacht unter den Straßen von New York City, als Bertha die Vampirjägerin beschloss, mich umzubringen.
    Ich bin immer noch ziemlich sauer wegen dieser Geschichte. Hallo? Sie ist eine Vampirjägerin. Ich bin eine Elfe. Mich zu töten, gehörte wohl kaum zu ihren Aufgaben. Leider gibt es keine Möglichkeit, von hier unten im Hades aus, wo ich bis in alle Ewigkeit festsitze, bei den Verantwortlichen Beschwerde gegen sie einzureichen.
    Ich ziehe mir die Decke über den Kopf, schließe die Augen und versuche, wieder einzuschlafen.
    Ich bin erschöpft, nachdem ich den größten Teil des gestrigen Tages damit verbracht habe, auf den elysischen Feldern mit meinem Dad Softball zu spielen. Ich weiß, es klingt nach einer schlechten Tochter, wenn ich das sage, aber ich muss zugeben, es gefällt mir, dass er auch tot ist.
    Es ist schön, jemanden aus der Familie um sich zu haben. Ich kann nur hoffen, dass ich, wenn schließlich das Urteil über mich gesprochen wird, weiter mit ihm in seinem kleinen Terrassenhaus mit dem weißen Zaun in der hübschen Wohngegend der Elysischen Höhen wohnen darf und nicht an irgendeinen Ort wie den Tartarus geschickt werde, wo die wirklich bösen Leute hinkommen. (Stell dir vor, du versuchst, dir eine Tasse Zucker von deinem Nachbarn Bin Laden oder Gaddafi zu borgen...) »Sunny?« Wieder ertönt die Stimme, diesmal lauter. Widerstrebend richte ich mich im Bett auf.
    Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich nicht mehr in dem gemütlichen kleinen Gästezimmer bin, das mein Dad mir angeboten hat, als ich tot auf seiner Türschwelle erschien. Stattdessen scheine ich irgendwie wieder in meinem alten Zimmer in Oakridge in Massachusetts zu sein, wo wir lebten, bevor die Elfen kamen und wir nach Vegas fliehen mussten. Meine vertrauten Poster hängen an der Wand und die Patchworkdecke, die meine Großmutter für mich gemacht hat, liegt gefaltet am Fußende meines Bettes.
    Was natürlich vollkommen unmöglich ist, da es dieses Zimmer, so wie es jetzt aussieht, nicht mehr gibt. Die Elfen haben das ganze Haus vor Monaten niedergebrannt.
    Und das heißt... ich seufze und lasse mich wieder auf mein Bett fallen ... ich träume wohl noch.
    Kurz darauf streckt meine Mutter den Kopf durch die Tür. Sie hat einen langen bunten Hanfrock an und eine Bauernbluse. So hat sie sich gern gekleidet, bevor sie Königin des Lichthofs wurde.
    (Die Feengarderobe bietet ein bisschen mehr Glanz und Glamour.) Ich muss lächeln. Was für ein hübscher Traum. Mein altes Leben, so schön normal, genau wie es vor ewig langer Zeit war.
    Meine Mutter erwidert mein Lächeln nicht.
    Stattdessen verschränkt sie die Arme vor der Brust und eine Falte bildet sich zwischen ihren Brauen. »Sunshine McDonald«, schimpft sie.
    »Steh sofort auf. D u kommst zu spät zur Schule.«
    Ich ziehe in Erwägung, ihr zu sagen, dass ich blaumache - schließlich wirkt sich unentschuldigtes Fehlen im Traum nicht auf den Notenschnitt aus. Aber dann
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