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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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ging weg und versuchte, die Sache zu vergessen. Ich wollte mich auf meinen Roman konzentrieren und anfangen zu schreiben.

Einsamkeit und Stille
    Ich mietete mir für vier Tage ein Haus in Guanabo und fuhr allein los. Ich wollte niemanden sehen, sprechen oder hören. Ich brauchte Einsamkeit und Stille. Als ich ankam, war Sonntagmittag. Ich stellte die Tasche in eine Ecke. Ich zog Badehose und Gummischlappen an und ging raus. Der Strand liegt dreißig Meter hinter dem Haus. Ich kaufte an einer Imbissbude eine Flasche Rum, schlenderte ein wenig den Strand entlang und setzte mich unter ein paar Kiefern in den Schatten. Zu viele Leute. Zu viel Lärm, Musik, Kinder, und alle ließen Energie ab. Am unterhaltsamsten war es, den Paaren zuzusehen, die im Wasser vögelten. Ein Pärchen trieb es schon seit einer ganzen Weile ohne Unterlass. Der Typ ließ wie wild die Hüften kreisen. Beide hatten die Augen geschlossen. Sie hatte herrliches, fast hüftlanges schwarzes Haar. Alle zwei Minuten warf sie den Kopf in den Nacken und war völlig weg. Ich nahm an, das war jedes Mal ein Orgasmus. Der Typ hatte den richtigen Punkt erwischt und ließ keinen Millimeter Raum. Perfekt. Im Wasser vögeln ist das Beste, was es gibt – die Frau rittlings, und man selbst berührt mit den Füßen gerade so den Grund.
    Das einzige Problem für den Mann besteht darin, die Ejakulation so lange wie möglich zurückzuhalten, und das ist ganz einfach: Man zieht den Schwanz kurz raus, kühlt ihn einige Sekunden im Wasser und steckt ihn wieder rein. Mit diesem Trick macht man die Frauen verrückt. Das Pärchen schloss die Augen, und die Menschheit hörte auf zu existieren. Wenige Meter entfernt schrien und tobten die Leute, sie aber waren in einer anderen Welt.
    Ich ging ins Wasser, schwamm näher, beobachtete die beiden verstohlen. Der Typ war dünn, hatte Tattoos an den Armen und sah aus wie einer, der weiß, was läuft. Sie wirkte wie ein wohlgenährtes Mädchen aus gutem Hause. So wie sie kam, konnte sie jedenfalls keine Stricherin sein. Eine Straßennutte weiß ihre Orgasmen zu beherrschen, um sich nicht zu überanstrengen.
    Ich bekam einen prächtigen Ständer. Ich widerstand der Versuchung und schwamm ein ganzes Stück weit weg. Bald war ich etwa dreihundert Meter vom Ufer entfernt, aber der Lärm war noch immer zu hören. Tausende und Abertausende von Menschen, die Rum und Bier tranken, Musik hörten, schrien, herumsprangen und spielten, und dazu kreischten die Kinder. Die Sonne brannte gnadenlos herunter, Hitze und Feuchtigkeit waren kaum zu ertragen. Die Polizei patroullierte auf und ab und ließ sich von ein paar möglichen Verdächtigen die Papiere zeigen. Tiefdunkle Wolken zogen über den Himmel und türmten sich immer weiter auf.
    Als ich genug vom Schwimmen hatte, ging ich aus dem Wasser und trank weiter meinen Rum, philosophisch-gemächlich. Ich lehnte mich gegen eine Kiefer und machte ein Nickerchen. Ich weiß nicht, wie lange. Als ich aufwachte, spielten die Leute noch immer verrückt. Sie schrien und rannten ziellos herum. Normal. Das machen wir immer. Schreien und rennen, ohne Orientierung.
    Es blies ein starker Wind von Süden. Sehr erfrischend. Auf einem breiten Streifen hinter mir regnete es bereits. Inzwischen war der Himmel von schwarzen, prallen Wolken übersät. Binnen weniger Minuten legte sich der Wind, und der Wolkenbruch kam nieder. Mit Blitz und Donner. Ein heftiges Unwetter mit dicken kalten Tropfen und einer Reihe teuflischer Donnerschläge, die einem richtig Angst machten.
    Ich stand auf und ging ins lauwarme Wasser. Im selben Augenblick begann die große Stampede. Alle flohen vom Strand. Die Herde rannte an ihren Zufluchtsort. Die Leute fürchten sich vor Regen und Blitzen. Wie vor vielem anderen auch. Von Geburt an impft man uns diese Scheiße ins Blut: Respekt und Angst. So können sie uns wunderbar kontrollieren. Bis ins Grab. Hauptsache, du erhebst nie zu deutlich deine Stimme.
    Wir waren nur noch wenige im Wasser. Es ist herrlich, den Regen auf dem Meer zu betrachten. Die riesigen Tropfen klatschen auf die glatte Oberfläche und verursachen Spritzer. Ich tauchte bis zur Nase unter. Nun befanden sich meine Augen auf Höhe der Wasseroberfläche, und ich sah vor mir ein grausilbriges Stück kinetische Kunst.
    Ich ging wieder an Land und spazierte ein wenig über den Strand, durch den Regen. Zwei Schwulengrüppchen hatten sichtlich Spaß. Die eine Gruppe bestand aus vier muskulösen Jungs, die sich reihum auf den
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