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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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du bist doch hier der Macker. Der Schwarze ist abgehauen, der hat sich nicht mal umgesehn. Das ist doch nur ‘ne feige Ratte.«
    Ich packte meine Flasche, stand auf und ging. Immer dasselbe, überall. Zu Hause schaltete ich Radiomusik ein und setzte mich hin. Nein. Ich stand wieder auf und schaltete das Radio ab. Stille. Ich wollte an nichts denken. Das war mein Vorsatz. Ich hatte Lärm und Leute satt. Ich setzte mich in den Eingang. Dort stand ein ziemlich bequemer Sessel. Ich trank noch etwas Rum. Von meinem Sessel aus konnte man wunderbar die Abenddämmerung sehen. Einen herrlichen Sonnenuntergang über dem Meer.
    In wenigen Minuten brach die Nacht herein. An der Imbissbude wurde das Licht eingeschaltet. Auch in einigen Wohnungen gingen Lampen an, dazu ein paar Laternen auf der engen, halb vom Sand zugedeckten Straße, die zum Ufer führte. Plötzlich: wupp! Stromausfall. Überall wurde es dunkel. Ich trank noch ein paar Schlucke. Ich versuchte, nicht zu denken. Das ist ganz wichtig. Nicht denken. Ich versuche es mehrmals täglich. Ich ließ den Sessel stehen und schlenderte an den Strand. Ich atmete tief durch: frische, saubere Luft. Endlich waren da Stille und Einsamkeit. Ein Flugzeug blinkte, während es langsam im Sinkflug auf den Flughafen zusteuerte. Ich hörte das Dröhnen der Turbinen und sah die Positionsleuchten, bis es hinter den Hügeln von Campo Florido verschwand. In der Luft blieb nur das sanfte Rauschen der Wellen, die an den Strand schlugen. Ganz kleine Wellen. Kein Lüftchen regte sich. Niemand war da. Alle Häuser lagen in Dunkelheit und Stille. Ich dachte: Der Tod bedeckt alles mit einem schwarzen Umhang.
    Die Ruhe dauerte kaum eine Minute. Dann wurde sie vom Stottern eines Motors brutal durchbrochen. Es war ein kleiner Lada. Der Fahrer brachte den Wagen schier zum Explodieren. Er trat das Gaspedal durch, und der Lada fauchte wie ein LKW. Im Dunkeln bretterte er durch die Gasse. Ohne Licht. Der Lärm war so ohrenbetäubend, dass ich dachte, es würde den Wagen gleich in Stücke reißen. Die Räder machten einen Satz über den letzten Zentimeter Asphalt und bissen in den Sand. Der Wagen sank ein. Der Typ stieg aufs Gas. Der Wagen fauchte. Der Typ gab Vollgas. Der Wagen sank noch tiefer ein. Aus dem Motorraum war eine Explosion zu hören, dann starb der Motor ab. Stille. Fuchsteufelswild stieg der Typ aus und begann, auf sein Auto einzutreten und einzuschlagen. Er prügelte mit maßloser Wut gegen den Wagen und rannte dann aufs Wasser zu. Er ließ sich in den nassen Ufersand fallen und schlug einige Male mit den flachen Händen gegen den Boden. Dann blieb er bäuchlings liegen, schwer atmend. Er bekam fast keine Luft mehr. Schließlich brach er in Tränen aus.
    Noch nie hatte ich bei einem Mann einen derart übertriebenen hysterischen Anfall gesehen. Ich nahm meine Flasche Rum und machte mich auf den Heimweg. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Ich trank einen großen Schluck, setzte mich in den Sessel am Eingang und sah in die Dunkelheit. Die unermessliche Dunkelheit. Es ist schrecklich, nicht innehalten zu können.

Es gibt keine Antworten mehr
    Ich spiele Billard mit einem Unbekannten. Wir stoßen nur die weiße Kugel über Bande. Wir spielen Karambolagen. Ich mag Stöße mit Effet über zwei Banden. Sieht schwierig aus. Aber nein. Reine Geometrie.
    Ich verliere die erste Partie. Ich zahle das Bier. Wir stehen am Eingang einer Strandbar. Im Juli ist es sehr heiß und feucht. Es weht kein Lüftchen. Fünfzig Meter von uns zerrinnen die Wellen sachte im Sand. Aber man hört sie nicht und es riecht nicht nach Salpeter. Nichts. Nur der Billardtisch und der Typ gegen mich. Ein etwa zwanzigjähriges Mädchen kommt herein und setzt sich an einen Tisch. Mit ihr kommen ein Mann und eine Frau. Ebenfalls jung. Sie kommen wohl aus dem Osten der Insel: halb Indios, halb Mulatten. Ernste Gesichter. Sie reden nicht. Bauern auf Urlaub, gerade angekommen. Sie sondieren das Terrain. Sie bestellen etwas zu trinken. Das Mädchen sieht mich an. Ich schaue zurück. Sie ist sehr hübsch, aber ich will keine Probleme mit jungen Frauen. Vor sechs Monaten hat mir ein Arzt eine Metallperle unter der Haut eingesetzt. Zwei Zentimeter hinter der Eichel, auf der Oberseite. Er wollte dafür fünf Dollar. Seine Praxis ist etwas eklig, mit Fliegen und Guasasa-Mücken. Bestimmt gibt es auch Kakerlaken und Mäuse. Ich sagte ihm: »Morgen komme ich zum Verbandwechseln, und wenn sich nichts entzündet, zahle ich dir
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