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Kaylin und das Reich des Schattens

Kaylin und das Reich des Schattens

Titel: Kaylin und das Reich des Schattens
Autoren: Michelle Sagara
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war.
    “Falkenlord”, sagte sie.
    Sein Gesicht versteinerte noch mehr.
    “Lord Grammayre”, fügte sie hinzu.
    “Ich warte seit einem halben Tag auf dich, Kaylin. Würdest du es vielleicht in Erwägung ziehen, dem Kaiser eine Erklärung für die Verschwendung meiner Zeit zu überbringen?”
    Ihre Schultern fielen etwa zehn Zentimeter nach unten, aber es gelang ihr, den Kopf aufrecht zu halten. “Nein, Sir.”
    Er legte die Stirn in Falten und wendete sich dann der gewölbten Wand am anderen Ende des Raumes zu. Sie konnte eine kleine Lichtquelle erkennen, und von diesem Licht beleuchtet einen Mann.
    Sie griff instinktiv nach ihren Dolchen. Die Waffen machten kein Geräusch, als sie aus ihren Scheiden glitten, eine teure Gabe von einem Magier auf der Elanistraße, der ein kleines Problem mit einem Kredithai gehabt hatte.
    “Das tut auch nichts zur Sache, ich habe nicht vor, den Falken Schande zu bereiten, indem ich dich für sie sprechen lasse. Ich habe einen Auftrag für dich”, fügte er hinzu, “und wegen der Art dieses Auftrags wünsche ich, dass du Verstärkung mitnimmst.”
    Toll. Sie sah hinab auf ihre Stiefel, und auf die tief hängenden Säume ihrer einzigen Hose, die nicht wie ein Schlachtfeld aussah. “Lord Grammayre –”
    “Das war selbstverständlich keine Bitte.” Er streckte eine Hand zum Befehl aus, aber der galt nicht ihr. “Ich möchte dir einen deiner Partner vorstellen. Du erkennst ihn vielleicht, vielleicht auch nicht. Er wurde von den Wölfen entsendet. Severn?”
    Sie konnte die Worte fast nicht hören, sie ergaben einfach keinen
Sinn
.
    Denn auf der anderen Seite des Raumes – eines Raumes, der keine Decke zu haben schien, so sehr konzentrierte sich ihr Blick auf ihn – trat ein Mann ins Licht der Sonne.
    Ein Mann, den sie erkannte, auch wenn sie ihn seit Jahren nicht gesehen hatte. Seit sieben Jahren.
    Ohne ein Geräusch warf sie den ersten Dolch und legte los.
    Er war
schnell
.
    Aber er war immer schnell gewesen. Sein eigenes, langes Messer hatte er gezogen, noch ehe sie den halben Weg gerannt war, der sie trennte, und ihr geworfener Dolch prallte mit einem tiefen Klang davon ab. Alles im Falkenturm hallte wider. Hier konnte es keine heimlichen Kämpfe geben.
    “Hallo,
Kaylin
.”
    Sie fletschte die Zähne. Worte hatten keinen Platz, es blieb nur Bewegung, immer weiter vorwärts, auf das Ziel zu. Sie hielt schon den zweiten Dolch in der Hand und zog den dritten. Der kalte Befehl des Falkenlords hinter ihrem Rücken ging an ihr vorbei, als wäre er ein einfacher Luftzug auf offener Straße.
    Die offene Straße der Kolonien, vor fast zehn Jahren.
    Sein Lächeln entblößte seine Zähne, er kniff die Augen zusammen, spannte Schultern und Brust an und ging in Stellung. Er hatte seine Kräfte versammelt.
    Mit der linken Hand schleuderte sie einen weiteren Dolch, den er ebenfalls abwehrte, allerdings nur knapp. Der dritte berührte seine Brust, ehe er sein Messer hatte senken können.
    Zu einfach, dachte sie verzweifelt. Zu verdammt einfach.
    Sie sah hinauf zu seinem trägen Lächeln und stach zu.
    Plötzlich wurde sie von einem Licht geblendet. Das gleiche Licht, folgerte sie aus seinem plötzlichen Fluchen, blendete auch ihn. Sie wurden von den unsichtbaren Händen der Macht des Falkenlords auseinandergetrieben und ein Stück über dem Boden festgehalten.
    Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam wieder an die Dunkelheit des gewölbten Turmzimmers.
    “Wie ich sehe”, sagte der Falkenlord ruhig, “kennst du Severn bereits. Severn, das hast du in unserem Gespräch zu erwähnen versäumt.”
    Severn hatte sich schon immer schnell wieder gefasst. “Ich habe den Namen nicht erkannt”, sagte er mit ruhiger Stimme, das träge Lächeln immer noch auf seinem Gesicht. Er bewegte sich langsam, sehr langsam, und steckte sein langes Messer weg. Dann wartete er ab.
    Und sie sah hinauf in sein Gesicht. Er war nicht so groß wie Tanner, und auch nicht so breit gebaut. Er hatte die katzengleiche Anmut eines jungen Leontiners, und sein Haar hatte die Farbe von poliertem Kupfer, das rot leuchtete, wenn Licht darauffiel. Aber seine Augen waren so blau, wie sie sie in Erinnerung hatte. Ein kaltes Blau. Und falls er neue Narben hatte – und die hatte er bestimmt – dann veränderten sie sein Gesicht nicht genug, um ihre Erinnerung zu trügen.
    “Kaylin?”
    Sie sagte eine lange, lange Weile nichts. Und dem Ton der Stimme des Falkenlords nach zu urteilen, war das keine gute Art, seine Zeit zu
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