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Kay Scarpetta bittet zu Tisch

Kay Scarpetta bittet zu Tisch

Titel: Kay Scarpetta bittet zu Tisch
Autoren: Patricia Cornwell
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ein Ding im Mund und fällst hin oder stößt gegen irgendwas«, sagte Scarpetta immer.
    »Warum kann ich's denn dann nicht vom Stiel abbeißen?« »Schlecht für die Zähne. Überhaupt ist an diesem ganzen Süßkram nichts dran, das gut für dich wäre, Lucy. Der schmeckt ja nicht mal besonders gut, wenn du ehrlich bist.«
    Vielleicht war es weniger der Lutscher selbst als vielmehr die Tatsache, daß Lucy ihn als Belohnung dafür bekommen hatte, daß sie einen Zungenspatel tief in der Kehle ausgehalten hatte oder ewig in einer Schlange hatte warten müssen, bis ihre Tante ihren Gehaltsscheck eingelöst hatte. Die Liste der wegen ihres Sicherheitsbedürfnisses verbotenen Lebensmittel wurde mit der Zeit immer länger, da ihre Tante Zeugin von immer mehr neuen Todesursachen wurde. Trotzdem war Lucys Leben mit Scarpetta nicht so strikt, wie es den Anschein haben mochte. Scarpetta hatte für Lucy immer Zeit gehabt. Tante Kay hatte sie aufgeklärt und ihre Erziehung mit Büchern, Computern und hin und wieder sogar Kirchenbesuchen bereichert. Sie hatte Lucy das Gute und das Böse zu unterscheiden gelehrt und Egoismus nicht akzeptiert, denn der war nach ihren Worten »die Wurzel aller Herzlosigkeit und des Schlechten auf der Welt«.
    Lucy formte den Plätzchenteig zu kleinen Kugeln. Sie naschte erst einmal davon und erinnerte sich daran, wie es als Kind gewesen war. Wie dick sie gewesen war und wieviel sie immer davon genascht hatte — so lange, bis ihr schlecht geworden war. Sie machte sie etwas flacher und setzte sie im Abstand von ein paar Zentimetern auf das Backpapier.
    »Kann mir mal jemand den Bailey's aus der Bar bringen? Und Gläser. Whiskygläser«, rief sie in den Flur, der zum Wohnzimmer führte.
    »Bist du ganz sicher, daß deine Tante nichts dagegen hat, wenn wir Hausbesetzer ihr Haus zugrunde richten?«
    »Das tut ihr doch gar nicht«, sagte Lucy.
    »Noch nicht.«
    »Wann kommt sie denn wieder?« »Morgen, falls der Flughafen geöffnet ist.« »Und wenn wir dann immer noch hier hocken?« Eine ATF-Beamtin, die alles über Bomben wußte, mußte lachen.
    »Vielleicht kleben wir dann ja wirklich alle immer noch hier auf der Stelle, vor allem, wenn wir jetzt noch was essen.«
    »Das wird sie nicht stören«, meinte Lucy.
    Eine andere ATF-Beamtin betrachtete die in ihren Holstern steckenden Pistolen und die Ersatzmagazine, die auf den Tischen herumlagen.
    »Im Moment wäre das nicht gerade der ideale Zeitpunkt für einen Einbrecher, hier aufzutauchen«, kommentierte sie nüchtern.
    »Ojeoje, wir Weiber hier alle, einsam und verlassen«, sagte Lucy in einem albernen Ton, als würde sie jeden Moment ohnmächtig auf die Couch sinken.
    Meist brauchen die Plätzchen gute zehn Minuten, aber Lucy holte sie immer etwas früher heraus, damit sie in der Mitte noch weich waren. Lucy mochte sie nicht zu fest. Mit einem Spachtel hob sie sie auf eine Platte. Eins probierte sie noch heiß.
    »Super«, stöhnte sie. »Ihr werdet sterben!« schrie sie zu ihren Freundinnen hinüber. »Sie sind schrecklich lecker!«
    Sie tunkten die Plätzchen in Bailey's Irish Cream, drängten sich vor das Kaminfeuer, und die Schatten der Flammen tanzten auf ihren Gesichtern.

8
    Am nächsten Morgen gab es keinen Schnee zum Frühstück, wie Marino gedroht hatte. Allerdings jagte Marino Jimmy einen kleinen Schrecken ein, indem er ihm eine Schüssel mit Schnee ins Haus brachte. Er tröpfelte Mrs. Butterworth Ahornsirup darüber und steckte einen Suppenlöffel in die Mitte.
    Jimmy lag noch warm und verschlafen auf der Couch, öffnete die Augen und sah Marino über sich gebeugt, wie er ihm die abscheuliche Mischung unter die Nase hielt.
    »Schnee mit Sahne«, beschied Mario ihm.
    Jimmy setzte sich auf, seine Haare standen in Büscheln in verschiedene Richtungen. Er blinzelte und versuchte, wach zu werden.
    »Igitt«, sagte er.
    »Wie war's denn mit einem Omelette?« fragte Marino. »Oder hast du so was auch noch nie gegessen?« »Ich weiß nicht.«
    Marino schaltete den Fernseher ein. Er öffnete die Jalousien, um den trüben Morgen in sein enges, unordentliches Wohnzimmer einzulassen.
    »Ich glaube, heute wird es wieder schneien«, sagte Jimmy hoffnungsvoll.
    »Dazu hängen die Wolken nicht tief genug«, erklärte ihm Marino, der Wetterfrosch. »Wenn sie so niedrig sind wie Nebel und du den Himmel nirgends mehr sehen kannst, dann weißt du Bescheid. Ich kann es vorhersagen, wie Regen auch. Allerdings könnte es bis zum Abend tatsächlich noch
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