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Kay Scarpetta bittet zu Tisch

Kay Scarpetta bittet zu Tisch

Titel: Kay Scarpetta bittet zu Tisch
Autoren: Patricia Cornwell
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nennt?«
    Der Junge hatte es sich auf der braunen Vinylcouch bequem gemacht und sich eine Decke bis ans Kinn gezogen. Marino hatte ihm ein T-Shirt der Richmond Polizeischule gegeben, dessen Ärmel länger als seine Arme waren und das ihm bis an die Füße reichte.
    »Nein«, sagte Jimmy schläfrig.
    »Man nennt es städtische Erneuerung.«
    »Und was soll das bedeuten?« gähnte Jimmy. »Das kriegst du raus, wenn du älter bist. Manchmal nennen wir es auch einfach bloß Totschlag.«
    Jimmy konnte mit all dem nichts anfangen.
    »Oh«, sagte er nur.
    Marino trank einen letzten Schluck Bier. Damit hatte er sein Pensum für die Nacht zu sich genommen. Sein Gast hatte zwei Portionen mit Mozzarella überbackenes Chili verschlungen; der Käse hatte an seinem Löffel Fäden gezogen und ihm Gesicht, Ärmel und mehr oder weniger alles andere auch verschmiert. Dann hatte Marino noch einen Teller mit Salzgebäck auf den
    Tisch gestellt und Jimmy gezeigt, wie er sie in seine Schüssel krümeln konnte. Zum Nachtisch hatte Marino Chunky-Monkey-Eis zwischen zwei große Zuckerplätzchen gestrichen. Das Eissandwich war Jimmy auf die Jeans getropft.
    »Und was gibt's zum Frühstück?« fragte Jimmy.
    »Schnee mit Ahornsirup«, antwortete Marino und schaltete NBC ein.
    »Bestimmt nicht.«
    »Alles kein Problem, solange du die Finger vom gelben Schnee läßt.«
    Jimmy Simpson fing schallend an zu lachen.

7
    Auch Lucy dachte über einen Nachtisch nach. Und je länger sie und ihre Freundinnen vor dem Kamin saßen und sich >Kriegserlebnisse< aus ihrer Polizeiarbeit und Geschichten über die Grausamkeit früherer Liebhaber erzählten, desto besser gefiel ihnen die Vorstellung, noch etwas zu sich zu nehmen, bevor sie ins Bett gingen.
    »Milch und Plätzchen vor dem Schlafengehen«, kündigte Lucy an und stand vom Boden auf, wo sie träge an die hübsche, blaubraungestreifte Couch ihrer Tante gelehnt gesessen hatte.
    »Laß die Milch ruhig weg.«
    »Ja, finde ich auch.«
    »Ich werde mir schon was einfallen lassen«, beruhigte Lucy sie. »Aber unternehmt nichts Lustiges, solange ich weg bin. Ich gehe in die Küche. Und redet nur ja laut, damit ich alles hören kann.«

Lucys verbrecherische Plätzchen
    Sie stellte eine tiefe, feuerfeste Auflaufform aus Glas auf den Tisch und machte sich auf die Suche nach braunem und weißem Zucker, nach Mehl, Vanilleextrakt, Eier, Salz und Backpulver. Als sie zehn war, hatte ihre Tante ihr beigebracht, diese speziellen, gesetzlosen Plätzchen zu backen. Seitdem machte sie sie intuitiv. Sie maß nichts ab und schaute nicht auf die Uhr. Sehr früh hatte sie gelernt, die Sache zu beschleunigen, indem sie möglichst wenig Geschirr benutzte. Zunächst war es wichtig, eine Tasse Breakstonebutter in der Glasschüssel zu zerlassen. Die Butter durfte warm, aber nicht heiß werden. Dann rührte sie dunkelbraunen und weißen Zucker ein, bis das Ganze eine dicke Masse ergab. Schließlich gab sie Eier dazu. Aus Erfahrung nahm sie zwei, um dann gerade so viel Mehl dazuzugeben, daß d er Teig eine feuchte, bröselige Konsistenz hatte und weder zu naß noch zu trocken war. Backpulver durfte man nicht vergessen, und bevor sie nach Geschmack Salz und Vanille hinzufügte, streute sie einen Teelöffel davon darüber. Mittlerweile war der Teig abgekühlt, und Lucy knetete gehackte Hickorynüsse, Zartbitterschokolade und Butterscotchchips darunter. Ihre Tante war, was die Zahl der Zutaten anbetraf, anderer Meinung, doch Lucy fand, man könne gar nicht genug daran tun.
    Sie stellte den Backofen auf 180° C und bestrich das Backpapier dünn mit cholesterinfreiem Pflanzenöl, das Lucy ein Lächeln abnötigte. Ihre Tante war anspruchsvoll, was die Gesundheit betraf.
    »Das liegt schlichtweg daran, daß du schon so viele Leichen gesehen hast«, hatte Lucy sie oft getadelt, wenn Scarpetta ihr keine Softdrinks oder Kaugummis kaufen wollte und nur im Notfall mit ihr einen Schnellimbiß besuchte.
    Bei den vielen Besuchen, die Lucy als Kind ihrer Tante abgestattet hatte, war stets frischer Fruchtsaft im Kühlschrank gewesen, und es hatte immer Obst gegeben: Apfel, Bananen, Mandarinen oder helle Trauben. Im Kino war Popcorn kein Problem, aber Süßigkeiten, besonders harte Bonbons wie Zitronendrops oder Fire Balls, woran man womöglich ersticken konnte, gab es nicht. Lutscher kamen nicht in Frage, schon gar nicht die, die man auf der Bank oder beim Arzt geschenkt bekam und die auf einem harten Stiel steckten.
    »Stell dir vor, du hast so
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