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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung
Autoren: Christiane Gibiec
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Leiche
hing, »das weiß man ja nie so genau.«
    Abgesehen von der Platzwunde am Kopf und dem Tattoo ergab die äußere
Leichenschau keine Besonderheiten. Es war zu vermuten, dass die oberflächlichen
Aufschürfungen am Körper der Toten beim Transport durch das steinige Wupperbett
entstanden waren.
    Als der Pathologe mit der Öffnung des Leichnams begann, ging Olga
hinaus – ihr war nicht nach dem Geräusch der Knochensäge, die den Schädel
zerlegte, dem Anblick eines zerschnittenen Torsos mit freigelegten Innereien,
dem Leichengeruch, der sich dabei noch einmal verstärkte.
    Lepple hielt mit professioneller Miene stand, und es schien Olga,
als streife er sie mit herablassendem Blick.
    Die Laborwerte ergaben, dass die Tote Spuren von Schlafmitteln und
beachtliche zwei Komma drei Promille Alkohol im Blut hatte, außerdem wurden
geringfügige, nicht mehr frische Spermaspuren gefunden. Der Pathologe
bestätigte, dass die Kopfwunde todesursächlich war: Schädelbruch und massive
Gehirneinblutungen infolge eines Schlages mit einem stumpfen Gegenstand auf den
rechten Oberkopf.
    Olga und Lepple packten die Kleidung der Toten in Asservatentüten
und nahmen sie mit zurück ins Präsidium nach Wuppertal. Ihre Hoffnung, dass
dort inzwischen eine passende Vermisstenmeldung eingegangen war, erfüllte sich
nicht.
    Am Montagmorgen klapperten Olga und Lepple zusammen das halbe
Dutzend Tattooläden in Wuppertal ab, um festzustellen, ob sich jemand an die
Emilio-Kundin erinnern konnte.
    In dem Tattoosalon an der Hochstraße, in dem sie mit der Befragung
begannen, lag ein dicker, behaarter junger Mann mit zwei Piercings in der
Unterlippe im Behandlungssessel. Eine stark geschminkte junge Frau mit gelbem
auftoupiertem Haar, deren künstliche Fingernägel mit Flittern bestreut waren,
bearbeitete mit einem martialisch wirkenden Tätowiergerät den rasierten Oberarm
des Mannes. Zwischen Farb- und Bluttröpfchen, die sie ihm immer wieder von der
Haut tupfte, waren die Umrisse eines sitzenden Bären zu erkennen.
    Olga nahm die Tätowiererin beiseite, zeigte ihren Polizeiausweis und
fragte nach dem Emilio-Tattoo. Die Frau riss erschrocken die Augen auf und
versicherte, sich nicht an eine solche Kundin zu erinnern. Während sie
versuchte, ihren Chef zu erreichen, schob der Haarige, der Lepple verzückt
anstarrte, sein Muskelshirt hoch, wühlte in dem krausen Teppich auf seinem
Bauch und zog an einer Stelle die Haare auseinander.
    »Guck ma, ’ne Biene«, brabbelte er, »mein Freund geht se manchma
suchen, der steht dadrauf. Die kriegt getz nämmich en Bär, die Biene, die
braucht en richtigen Kerl, hat se gesacht. Geil, oder wat?«
    Er wölbte seinen Bauch Lepple entgegen, der bis zur Ladentür
zurückwich und Olga verzweifelte Blicke zuwarf. Sie konzentrierte sich mit
aller Kraft darauf, einen Lachkrampf zu unterdrücken, und war froh, als sie
nach einer ebenfalls abschlägigen Antwort des Chefs das Weite suchen konnte.
    Im Wagen schlug sie sich kreischend auf die Schenkel, Lepple
schnaufte seine Empörung über die Distanzlosigkeit des Haarmonsters heraus.
    »Nee, nee, Lepple«, schrie Olga, »dass ich davon kein Video gemacht
habe. Da hätten wir auf der nächsten Weihnachtsfeier den Abräumer, das ganze
Präsidium würde flachliegen. Die Biene und der Bär, das ist ja wohl …« Sie
schnappte nach Luft.
    »Diese Tunten«, quetschte Lepple heraus, »widerlich, ich kann sie
nicht ab. Die suchen immer mich raus, als würde ich irgendwie schwul wirken.«
    »Na ja«, kicherte Olga, »gibt Schlimmeres. ’nen richtigen Macho
wirft das doch wohl nicht aus der Bahn.«
    Sie grasten die restlichen Tattooläden ab, die auch nichts hergaben,
und fuhren gegen Mittag ins Präsidium zurück. Die Anlieger des Elba-Geländes
waren inzwischen – ebenfalls ergebnislos – vernommen worden. Lepple begann, die
Tattooläden in Remscheid, Solingen und Düsseldorf telefonisch zu befragen, Olga
behielt, während sie ihre E-Mails abarbeitete, die Rückläufe der
Vermisstenabfrage im Auge. Sie hasste diese Tage, an denen man im Schlamm grub
und im Nebel stocherte, ohne auf eine brauchbare Spur zu stoßen.
    Bis zum Spätnachmittag ging nichts ein, was Aufschluss über die
Identität der Toten in der Wupper gegeben hätte. In der Lagebesprechung kamen
sie überein, dass Stefan Bauer, wenn sich bis zum nächsten Abend nichts täte,
ein Foto an die Medien geben würde.
    ***
    Luna ergriff mit spitzen Fingern das Mützchen aus schwarzem
Kaschmir, das Trudi ihr mit
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