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Katzensprung

Katzensprung

Titel: Katzensprung
Autoren: Christiane Gibiec
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der Bemerkung, es sei jetzt schon eiskalt morgens,
neben den Frühstücksteller gelegt hatte, und ließ es in die Butter fallen. Sie
schaute ihre Mutter mitleidig an, schnappte ihren Schulrucksack und die
Frühstücksdose, die Trudi ihr liebevoll hergerichtet hatte, und ging grußlos in
die Kälte.
    Für den Tag war Trudi bereits bedient. Sie steckte sich die erste
Zigarette an, die sie normalerweise erst mittags rauchte, und nahm die Zeitung.
Ihre Hände zitterten vor Wut über Luna, ihre Augen irrten über die
Zeitungsseiten und nahmen kaum die Schlagzeilen wahr.
    Im Lokalteil war unter der Überschrift »Wer kennt diese Frau?« das
Foto eines starren Gesichts mit halb geschlossenen Augen und dunklem, dickem
Haar abgedruckt. Eine Wasserleiche. Trudi schüttelte sich und zog an der
Zigarette. Sie guckte wieder auf das Foto, zog, guckte noch einmal. Sie kannte
das Gesicht. Das konnte nicht wahr sein. Allmählich dämmerte ihr, dass es die
Schlampe war, Emilios Geliebte.
    In ihrer linken Schläfe begann es zu pochen, Übelkeit schoss hoch,
und sie stürzte auf die Toilette. Dann ging sie ins Schlafzimmer und warf dem
schlafenden Emilio die Zeitung auf den Kopf. Er erwachte stöhnend.
    »Deine Freundin ist heute in der Zeitung, Porträtfoto, hat irgendwie
abgebaut, die Dame.«
    Während Emilio sich hochrappelte, überfiel Trudi eine neue
Übelkeitswelle. Als sie von der Toilette zurückkam, saß er aufrecht und
studierte das Foto.
    »Ich habe sie seit vier Wochen nicht gesehen, das schwöre ich dir.«
Er sprach heiser und war kaum zu verstehen.
    »Neulich war es ein halbes Jahr, aber ist ja auch egal, mal so, mal
so. Der Herr lügt sich die Dinge zurecht, wie er es braucht. Ich müsste die
Kripo verständigen, wäre meine staatsbürgerliche Pflicht. Aber mach du es
lieber, du kennst sie besser. Los, die Nummer steht da.«
    Sie riss das Telefon aus der Ladestation und warf es nach ihm; es
flog knapp an seinem Kopf vorbei.
    Emilio sprang auf und riss die Zeitung in kleine Fetzen, die durch
den Raum wirbelten.
    »Ich habe damit nichts zu tun«, brüllte er, »ich kenne diese Person
nicht, und ich habe auch diese verdammte Zeitung niemals gesehen.«
    Er rannte ins Bad, kurze Zeit später knallte die Wohnungstür. Trudi
hockte zwischen den Schnipseln, die Migräne nahm von ihr Besitz, und sie
schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sich die letzte halbe Stunde als
Alptraum entpuppen und sie endlich erwachen möge.
    ***
    Das Telefon auf Olgas Schreibtisch klingelte gegen halb zehn.
Der Anrufer sprach leise und stockend, im Hintergrund war Kinderlärm zu hören.
Jens Brinkmann, Rektor der Hauptschule Wichlinghausen, meldete sich. Er kenne
die Tote in der Zeitung, es sei Ramona Wenkler, eine Lehrerin aus dem
Kollegium, die seit Freitag nicht zum Dienst erschienen sei.
    »Wir haben uns schon ernsthafte Sorgen gemacht, ihr Handy war ja
auch tot. Heute wollte eine Kollegin bei ihr zu Hause vorbeigehen. Und nun
dieses Foto, Sie können sich vorstellen, wie erschüttert …«
    Seine Stimme brach, und Olga kündigte an, in der nächsten Stunde in
die Schule zu kommen. Er möge sich zur Verfügung halten und das Kollegium
ebenfalls, die Schüler solle er noch nicht nach Hause schicken.
    Sie informierte Stefan Bauer, dass die Identität der Toten
möglicherweise geklärt sei, gab die Personenabfrage über Inpol in Auftrag und
machte sich zusammen mit Lepple nach Wichlinghausen auf.
    Auf dem Schulhof standen Gruppen von sichtlich erschütterten Kindern
und Jugendlichen zusammen mit einigen Lehrern, unter ihnen Schulleiter
Brinkmann, der blond und unscheinbar war; sein schmerzlicher Gesichtsausdruck
und scharfe Falten um den Mund ließen auf eine Magenkrankheit schließen. Olga
stellte sich vor und bat die Schüler, sich bei ihr zu melden, sobald sie sich
im Zusammenhang mit Frau Wenkler an etwas Ungewöhnliches, Auffälliges erinnern
sollten.
    Im Zimmer des Rektors wartete eine Lehrerin mit graublondem langem
Haar, die Brinkmann als Amanda Springer vorstellte. Sie habe im Lehrerzimmer
neben Ramona Wenkler gesessen und mehr oder weniger den besten Kontakt zu ihr
gehabt. Frau Wenkler habe eine halbe Stelle gehabt und sei seit drei Jahren an
der Hauptschule Wichlinghausen als Quereinsteigerin beschäftigt gewesen. Vorher
habe sie als Honorarkraft in mehreren Jugendeinrichtungen gearbeitet. Der
Rektor betonte mit brüchiger Stimme, dass sie eine ausgezeichnete pädagogische
Kraft gewesen sei.
    Das sehe sie nicht ganz so, fiel Amanda
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